08. Mai 2020

Virtuelles Gedenken an den Jahrestag der Bücherverbrennung 1933 Virtuelles Gedenken an den Jahrestag der Bücherverbrennung 1933

Aufgrund der Coronavirus-Pandemie findet die diesjährige Gedenkveranstaltung zur Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 nicht wie üblich am Erinnerungsmal vor dem Alten Rathaus statt, sondern als digitale Präsentation auf der städtischen Webseite. Am kommenden Sonntag, 10. Mai, werden auf der Online-Plattform Videostatements des Oberbürgermeisters Ashok Sridharan, der Leiterin der Gedenkstätte Astrid Mehmel, des AStA-Vorsitzenden Sander Hartkamp sowie des Ersten Vorsitzenden des Studierendenparlaments, Kay Alexander Frenzen, veröffentlicht.

Literarische "Stolpersteine" auf dem Marktplatz
Literarische "Stolpersteine" auf dem Marktplatz - Ins Pflaster eingelassene Bronzebücher weisen auf das Erinnerungsmal hin. © Foto: Michael Sondermann/Bundesstadt Bonn
Alle Bilder in Originalgröße herunterladen Der Abdruck im Zusammenhang mit der Nachricht ist kostenlos, dabei ist der angegebene Bildautor zu nennen.

Zur Erinnerung an Autorinnen und Autoren, deren Bücher in Flammen aufgingen, tragen Mitglieder der Sankt-Georgs-Pfadfinder Bonn Texte und Gedichte von Bertolt Brecht, Magnus Hirschfeld, Marie Juchacz, Franz Kafka, Erich Kästner, Irmgard Keun, Else Lasker-Schüler, Joachim Ringelnatz und anderen vor. Zudem wird ein vom Bonner Autor Lothar Kittstein verfasster Literaturbrief veröffentlicht.

Das virtuelle Gedenken veranstalten die Bundesstadt Bonn und die Gedenkstätte Bonn in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Bonn, dem AStA und dem Studierendenparlament der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg Bonn.

 

Erinnerungsmal auf dem Bonner Marktplatz

Am 10. Mai 2013 wurde zum Gedenken an den 80. Jahrestag der Bücherverbrennung der Öffentlichkeit ein Erinnerungsmal auf dem Bonner Marktplatz übergeben. Es wurde von den Künstlern Andreas Knitz und Dr. Horst Hoheisel gestaltet. Insgesamt 60 im Pflaster eingelassene Bronzebücher enthalten auf dem sichtbaren Rücken Titel und Namen von Autorinnen und Autoren der von den Nationalsozialisten am 10. Mai 1933 verbrannten Bücher. Die zunächst zufällig auf dem Platz verteilten „Lese-Zeichen“ verdichten sich an der Stelle vor der Treppe des Alten Rathauses, an der die Bücher verbrannt wurden.

Zusätzlich dazu ist eine wetterfeste Büchertruhe in den Platz eingelassen. In ihr wird eine Büchersammlung von Autorinnen und Autoren aufbewahrt, deren Werke hier verbrannt wurden. Die Inschrift dieses Archiv-Behälters benennt das Ereignis und weitere Autorinnen und Autoren von verbrannten Büchern.

Normalerweise wird die Truhe jedes Jahr am 10. Mai geöffnet und aus den Büchern der verfolgten Autorinnen und Autoren zitiert. Anschließend werden die Bücher an Passanten verschenkt, die Truhe wird mit anderen Werken befüllt und bis zum nächsten Jahr verschlossen.

Das Erinnerungsmal wurde ermöglicht durch die Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen und durch bürgerschaftliches Engagement von Kirchen, Vereinigungen sowie durch zahlreiche Bürgerinnen und Bürger aus Bonn und der Region. Der damalige Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch und Professor Dr. Jürgen Fohrmann, seinerzeit Rektor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, hatten die Bürgerinnen und Bürger um finanzielle Unterstützung für das Erinnerungsmal gebeten. Insgesamt wurden mehr als 20.000 Euro gespendet.

 

Der Anlass für das Erinnerungsmal

Nach der sogenannten „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 sahen sich unter anderem jüdische, pazifistische, sozialdemokratische und kommunistische Schriftstellerinnen und Schriftsteller einer verstärkten Verfolgung ausgesetzt. Die erste große Aktion gegen diese begann im April 1933 in einer vom „Hauptamt für Presse und Propaganda der Deutschen Studentenschaft“ organisierten reichsweiten vierwöchigen „Aktion wider den undeutschen Geist“.

Gestartet wurde die Kampagne am 12. April 1933 mit der Verbreitung eines Plakates, das zwölf propagandistische Thesen mit der zentralen Parole „Wider den undeutschen Geist“ zum Inhalt hatte. Zudem wurden in Vorträgen in den Universitäten sowie durch Tageszeitungen und Rundfunk Studierende und die Öffentlichkeit über die Ziele der Kampagne „aufgeklärt“ und die betroffenen Schriftsteller und Autoren diffamiert. Darüber hinaus forderte die „Deutsche Studentenschaft“ alle Studierenden auf, aus ihren privaten Bibliotheken und denjenigen ihrer Bekannten die unerwünschten Bücher zu entfernen und in einem nächsten Schritt ebenso in öffentlichen Büchereien und Buchhandlungen zu verfahren. Auch die Bonner Studentenschaft beteiligte sich an der Kampagne, veröffentlichte Aufrufe in der Tagespresse, veranstaltete einen Vortragsabend im Auditorium Maximum. Auf Anordnung des damaligen Oberbürgermeisters wurden in Bonn Bücher in den öffentlichen Bibliotheken unter Beteiligung städtischer Polizeikräfte entfernt.

Insgesamt sind für das Frühjahr 1933 deutschlandweit mehr als 50 Bücherverbrennungen dokumentiert. Allein am Abend des 10. Mai 1933 fanden Bücherverbrennungen an 22 Hochschulorten statt, darunter auch vor dem Bonner Rathaus. Welche Bücher in Bonn verbrannt wurden, ist nicht mehr nachvollziehbar. Die Liste der verfemten Autorinnen und Autoren, deren Bücher verbrannt wurden, ist lang und umfasst etwa 450 Namen. Im Laufe der Zeit wurde die Liste der verbotenen Bücher noch um lokale Schriftsteller und wissenschaftliche Publizisten erweitert. Fast die gesamten Autoren deutscher Gegenwartsliteratur gingen ins Exil, andere wurden später in Konzentrationslager verschleppt oder mit Publikationsverboten belegt.

Weitere Infos zur Gedenkveranstaltung und zum Mahnmal gibt es auf der Website der Stadt Bonn.

 

Text: Campus-Reporter Alexander Mertes

Wird geladen