13. Februar 2023

Lecks in der Blut-Hirnschranke auf der Spur Lecks in der Blut-Hirnschranke auf der Spur

Bonner Forschende entwickeln neue Methode zur Untersuchung der selektiven Diffusionsbarriere

In der Epilepsieforschung galt lange die Annahme, dass für die Entstehung von Entzündungen im Gehirn eine undichte Blut-Hirn-Schranke ursächlich ist. Mithilfe einer neuartigen Methode haben Forschende der Universität Bonn und des Universitätsklinikums Bonn (UKB) nachgewiesen, dass die Barriere zwischen dem Blut und dem Zentralen Nervensystem jedoch weitgehend intakt bleibt. Ihr Untersuchungsverfahren liefert somit wichtige Erkenntnisse zur Entstehung der Epilepsie und könnte die Wirkstoffentwicklung in der Pharmazie signifikant optimieren. Die Studienergebnisse sind kürzlich im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht worden.

Neue Erkenntnisse in der Epilsepsieforschung & Optimierung der Wirkstoffwirkung: (v. li) Prof. Dirk Dietrich, Dr. Amira Hanafy und Prof. Alf Lamprecht gehen mit einem neuen Analyse-Verfahren Lecks in der Blut-Hirn-Schranke auf den Grund.
Neue Erkenntnisse in der Epilsepsieforschung & Optimierung der Wirkstoffwirkung: (v. li) Prof. Dirk Dietrich, Dr. Amira Hanafy und Prof. Alf Lamprecht gehen mit einem neuen Analyse-Verfahren Lecks in der Blut-Hirn-Schranke auf den Grund. © Universitätsklinikum Bonn / Rolf Müller
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500 Kilometer Gefäße im menschlichen Gehirn sind mit zehn Quadratmetern dünner Zellschicht ausgekleidet - der Blut-Hirn-Schranke. Diese Barriere schützt das Gehirn gegen schädliche Stoffe sowie Krankheitserreger. Darüber hinaus verknüpft sie das Gehirn mit den anderen Organen im Körper. Ist diese selektive Barriere undicht, könnten Erkrankungen wie Parkinson, Multiple Sklerose oder Alzheimer entstehen. Auch bei Hirntumoren spielen Fehlfunktionen der Blut-Hirn-Schranke eine wichtige Rolle. Diesen Wechselwirkungen wollen die Forschenden am UKB und der Universität Bonn auf den Grund gehen. Zur Untersuchung des Blut-Hirn-Schranke-Transports auf zellulärer Ebene entwickelten sie die Mikropipetten-basierte lokale Perfusion von Kapillaren, also feinsten Blutgefäßen, in akuten Hirnschnitten und kombinierten sie mit der Multiphotonenmikroskopie.

Prof. Dirk Dietrich, Leiter der Sektion experimentelle Neurochirurgie an der Klinik für Neurochirurgie am UKB, vergleicht die in der Studie untersuchte neue Analysetechnik der Blut-Hirn-Schranke mit einem platten Fahrradreifen: „Wenn der Reifen Luft verliert, weiß man nicht, wo die undichte Stelle ist. Darum hält man den aufgepumpten Fahrradschlauch unter Wasser, um das Leck zu identifizieren. Dieses Prinzip liegt auch unserer Verfahrensweise zugrunde.“ Dabei füllen die Forschenden die mikroskopisch kleinen Blutgefäße mittels einer Mikropipette mit einer Flüssigkeit von innen auf. Im Multiphotonenmikroskop sind dann undichte Stellen für sie sichtbar.

Sein Kollege Alf Lamprecht, Professor für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie am Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn, hofft, dass das neue Verfahren die frühe Wirkstoffentwicklung voranbringen könnte: „Wird ein neuer Wirkstoff entwickelt, stellt sich immer die Frage, ob und vor allem wie dieser die Blut-Hirn-Schranke passiert. Diese Transportmechanismen und Barrieren zu identifizieren, ist enorm wichtig, um den Wirkstoff im Gehirn verfügbar machen zu können.“ Die Ergebnisse der aktuellen Studie haben seiner Ansicht nach Potenzial, diese Aufgabenstellung in der Pharmazie zu lösen. Die Erstautorin des veröffentlichen Fachartikels Dr. Amira Hanafy, Postdoktorandin an der Klinik für Neurochirurgie des UKB, resümiert: „Mit der von uns entwickelten Methode haben wir ein gutes Handwerkzeug, um zu bewerten, ob Wirkstoffe im Gehirn ankommen.“

Beteiligte Institutionen: Klinik für Neurochirurgie, Universitätsklinikum Bonn; Institut für Pharmazie, Universität Bonn; Sektion für Translationale Epilepsieforschung, Klinik für Neuropathologie und Klinik für Epileptologie, Universitätsklinikum Bonn; Synapse Proteomics, Children's Medical Research Institute, The University of Sydney, Australien

BONFOR, DFG INST1172 15, Alexander-von-Humboldt-Stiftung

Amira Sayed Hanafy et. al.: Subcellular analysis of blood-brain barrier function by micro-impalement of vessels in acute brain slices; Nature Communications; https://doi.org/10.1038/s41467-023-36070-6

Prof. Dirk Dietrich
Leiter der Sektion experimentelle Neurochirurgie
Klinik für Neurochirurgie
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: +49 228 287 19224
E-Mail: dirk.dietrich@uni-bonn.de

Prof. Alf Lamprecht
Lehrstuhl Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie
Pharmazeutischen Institut
Universität Bonn
Telefon: +49 228 73 5243
E-Mail: alf.lamprecht@uni-bonn.de

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