17. Juli 2020

Das Online-Semester 2020. Herausforderungen und Chancen Das Online-Semester 2020. Herausforderungen und Chancen

Das Sommersemester 2020 hat die Universität Bonn vor einige Aufgaben und Probleme gestellt. Kurz vor dem Ende der Vorlesungszeit kann nun ein erstes Fazit gezogen werden: Über Verbesserungspotenzial, Ansätze, die auch in einer Corona-freien Zukunft die Lehre erleichtern und vielleicht sogar eine neugewonnene Freiheit berichtet Campus-Reporter Vincent Rastfeld.

Symbolfoto
Symbolfoto © Foto: colourbox.de
Alle Bilder in Originalgröße herunterladen Der Abdruck im Zusammenhang mit der Nachricht ist kostenlos, dabei ist der angegebene Bildautor zu nennen.

Um Viertel vor zwei das Seminar verlassen und 10 Minuten später in die Nordsee springen – ein Zeitplan, der normalerweise ohne viel Fantasie oder einen Flux-Kompensator klingt wie ein Ding der Unmöglichkeit, ist in den vergangenen Wochen vielleicht für einige Studierende und Beschäftigte der Universität Bonn Wirklichkeit geworden. Die Corona-Krise hat das Studierendenleben kräftig umgekrempelt. Seminare und Vorlesungen finden größtenteils über Videokonferenzen statt, die Bibliotheken sind geschlossen und Klausuren werden in Hausarbeiten umgewandelt, online geschrieben oder fallen gar ganz aus. Für Studierende und Dozierende gleichermaßen bedeutete dies in den vergangenen Monaten eine enorme Herausforderung. Da ist es eine schöne Abwechslung, wenn neben den ungewohnten und anstrengenden Neuerungen, auch mal ungeahnte Möglichkeiten entdeckt werden. Denn durch die Digitalisierung des Semesters erhöht sich der Bewegungsradius aller Beteiligten um ein Vielfaches. Besonders Studierende, deren Familien in einer größeren Entfernung wohnen, konnten den Lockdown bei ihrer Familie verbringen, ohne Veranstaltungen zu verpassen. Und seit den neuesten Lockerungen ist auch ein Kurzurlaub an Nord- und Ostsee wieder möglich, ohne Stoff verpassen zu müssen.

Kurz vor Ende des Online-Semesters ziehen viele Fakultäten ein erstes Fazit. Die Resultate sind gemischt. „Es gibt natürlich immer Studierende, die nicht so gut mit dem vollständigen, digitalen Lernen klarkommen, aber Beschwerden über Dozierende sind bei uns bisher noch nicht eingegangen“, sagt Marie aus der Fachschaftsvertretung für Agrarwissenschaften. Einen Tempounterschied beim Fortschritt mit dem Lehrplan kann sie im Vergleich mit einem regulären Semester ebenfalls nicht ausmachen, aber: „Leider ist die aktive Teilnahme an den Zoom-Veranstaltungen nicht so hoch, was die Lernatmosphäre sowohl für Lehrende als auch für Studierende vielleicht etwas anspannt.“ Eine Entlastung stellt im Gegensatz dazu die Aufzeichnung der Veranstaltungen dar. „Es ist sicherlich von Vorteil, dass man die Vorlesungen in seinem eigenen Tempo nacharbeiten kann und zwar mit vollständigen Informationen.“

Bei der Fachschaft für Lehramt ist das Ergebnis ähnlich ausgeglichen. Auch hier wird ein deutlich geringerer Austausch zwischen Studierenden und Lehrenden beklagt. Für einige sei das Semester sehr viel anstrengender, sagt Vera aus der Fachschaftsvertretung. So seien vermehrt Aufgaben abzugeben gewesen, die es in einer Präsenzveranstaltung nicht gegeben hätte. Das wirkt sich laut den Rückmeldungen anscheinend nicht nur negativ auf die Stimmung aus, sagt Vera: „Durch das viele Sitzen am PC kommt bei manchen die Bewegung zu kurz, was auf Dauer den Rücken schmerzen lässt.“

Besonders ausführlich wollte es die Fachschaft Biologie wissen. Bereits im Mai stellten sie eine Umfrage auf eCampus für ihre Studierenden online. In den zwei Wochen Umfragezeit nahmen 130 Teilnehmer teil. Ergebnis: Während eine Vielzahl der Befragten mit der Funktionsweise von Zoom zufrieden war, wurde besonders die Informationsweitergabe zu den Klausuren bemängelt. 27,5 Prozent bewerteten sie gar als mangelhaft. Ebenfalls unzufrieden waren die Befragten auch mit dem steigenden Arbeitsumfang, der sich aus der Bearbeitung der Veranstaltungen über Zoom ergibt: „Die Übungen sind in Ordnung aber die Vorlesungen mit den Videos sind ein unglaublicher Arbeitsaufwand; man braucht doppelt bis dreimal so lang, die aufzuarbeiten“, schreibt eine befragte Person. „Ja, im normalen Betrieb müsste man auch nacharbeiten, aber es ist ein Unterschied, ob man nun drei bis vier Stunden zu Hause sitzt und versucht, sich zu konzentrieren, oder ob man die Vorlesung hört in der Uni und dann zu Hause nochmal was macht. Ich find‘s schwierig.“ Positiv wurden hingegen die aufgezeichneten und hochgeladenen Veranstaltungen bewertet: „Die Lehre in Form von hochgeladenen Videos gestattet eine flexiblere Lernalltagsplanung.“

Es zeichnet sich also ein weit gefasstes Meinungsbild ab. Doch abgesehen vom Lernalltag fehlt vor allem der direkte Kontakt mit den Kommiliton*innen. Es mag zwar gemütlich sein, eine Vorlesung auch mal im Bett anzuhören oder gleich in Laufweite zum Strand, doch das abrupte Ende einer Zoomveranstaltung ist weit entfernt von dem gemütlichen Aufbrechen zur nächsten Veranstaltung samt Stopp im Lieblingscafé. Es bleibt nur zu hoffen, dass es im nächsten Semester wenigstens ein paar Präsenzveranstaltungen geben wird. Der Rektor hat das ja inzwischen schon in Aussicht gestellt.

Gegen Ende der Vorlesungszeit hat die Universität Bonn ebenfalls eine Umfrage gestartet, welche die gesamte Studierendenschaft miteinbezieht. Falls es dazu kommt, dass auch das nächste Semester in digitaler Form ablaufen wird, möchte die Universität versuchen, die größten Problemfelder und Kritikpunkte anzugehen. Über Eure Fachschaftsvertretungen werdet ihr in den nächsten Tagen Zugriff auf den Link erhalten. Helft also mit und sagt Eure Meinung!

Wird geladen