Aus zahlreichen sozialwissenschaftlichen Studien ist bekannt, dass in Regionen mit einem stärkeren zivilgesellschaftlichen Verantwortungsgefühl die Wahlbeteiligung im Durchschnitt höher ist, ebenso wie die Bereitschaft zur Blutspende. Daher nutzen die Wissenschaftler Wahlbeteiligung als Hilfsvariable zur Messung von Sozialkapital. Dabei handelt es sich um ein gängiges Maß für gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein. Der Gang zur Urne bedeutet Aufwand für den individuellen Wähler, während die eigene Stimme das Wahlergebnis nur marginal beeinflusst. Da Menschen aber trotzdem aus staatsbürgerlichem Verantwortungsgefühl wählen gehen, gelten Gegenden mit hoher Wahlbeteiligung als Regionen mit besonders großem Verantwortungsbewusstsein für die Gesellschaft. Für Italien konnten die Forscher zudem Daten zum Blutspendeaufkommen sammeln, um die Robustheit ihrer Ergebnisse mit einem alternativen etablierten Maß für Sozialkapital zu überprüfen. Beide Maße führen zu ähnlichen Ergebnissen.
Wie die Ergebnisse der Wissenschaftler zeigen, breitet sich das Virus in Regionen mit einem höheren gesellschaftlichen Verantwortungsbewusstsein (sprich: einer höheren Wahl- oder Blutspendebeteiligung) langsamer aus. Zudem ist dort die Sterblichkeit geringer als in Gegenden mit niedrigerem Sozialkapital.
Die Studienautoren untersuchten dazu den Zusammenhang zwischen den Wahldaten sowie den COVID-19-Fallzahlen in Deutschland, Italien, Österreich, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden und Schweden. „Wir sehen, dass sich Covid-19 in Regionen mit höherem Sozialkapital weniger schnell ausbreitet. Ein hohes Verantwortungsbewusstsein scheint also zu einer stärkeren Eindämmung des Virus zu führen“, erläutert Alina Bartscher, Studienautorin und Doktorandin an der Bonn Graduate School of Economics und im Exzellenzcluster ECONtribute die Ergebnisse.
Anhand von Mobilfunkverbindungsdaten konnten die Wissenschaftler tatsächlich exemplarisch zeigen, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Mobilität freiwillig stärker einschränkten, wenn es aufgrund der Wahl- und Blutspendebeteiligung Hinweise auf ein großes Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft gab. Die Studienergebnisse deuten auch darauf hin, dass die Politik in Regionen mit hoher Beteiligung bei Wahlen und Blutspenden möglicherweise das tägliche Leben weniger einschränken muss.
Die Studie ist als Diskussionspapier erschienen und wird nun von Wissenschaftlern eingehend diskutiert.
Veröffentlichung: https://www.zew.de/fileadmin/FTP/dp/dp20023.pdf
Kontakt:
Katrin Tholen
ECONtribute: Markets & Public Policy
Tel. +49 228/737808
E-Mail: katrin.tholen@uni-bonn.de
Ausbreitung des Coronavirus: Höheres zivilgesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein hilft bei Eindämmung Ausbreitung des Coronavirus: Höheres zivilgesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein hilft bei Eindämmung
Wissenschaftler des Exzellenzclusters ECONtribute der Universitäten Bonn und Köln sowie des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim haben einen interessanten statistischen Zusammenhang entdeckt: In Regionen mit einem höheren durchschnittlichen gesellschaftlichen Verantwortungsbewusstsein konnte sich das Coronavirus weniger schnell ausbreiten.
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