Durch den menschengemachten Klimawandel sind Extremereignisse wie Hitzewellen, Dürren und Starkniederschläge häufiger geworden. Laut Expertinnen und Experten wird sich dieser Trend fortsetzen. Im DFG-Sonderforschungsbereich 1502 untersucht ein Forschungsteam unter der Leitung der Universität Bonn die Auswirkungen des vom Menschen verursachten Landnutzungswandels sowie des intensivierten Wassermanagements auf das regionale Klima. Die ESA-Satellitenmission Next Generation Gravity Mission (NGGM) wird es dem Team ermöglichen, ihre Simulationen durch genauere Daten zu verbessern – und damit die Ursachen von Dürren und Überschwemmungen besser nachzuvollziehen.
Genauere Daten für die Modellierung von Dürren und Überschwemmungen
Im SFB 1502 untersuchen die Forschenden, wie weit der vom Menschen verursachte Landnutzungswandel und ein intensiviertes Wassermanagement das regionale Klima beeinflussen – und dadurch zu unbeabsichtigten Veränderungen im natürlichen regionalen Wasser- und Energiekreislauf führen. „Seit Start des SFBs vor vier Jahren haben wir ein gekoppeltes Modellsystem entwickelt, das neben der Dynamik der einzelnen Komponenten des Erdsystems auch deren Wechselwirkungen untereinander abbildet“, erklärt SFB-Sprecher Prof. Dr. Jürgen Kusche vom Institut für Geodäsie und Geoinformation der Universität Bonn. Die Modelle sollen insbesondere dazu dienen, die menschengemachten Einflüsse auf den natürlichen regionalen Wasserkreislauf zu beschreiben. Sie werden bereits heute mit Daten der Satellitenmissionen GRACE und GRACE-FO evaluiert. So konnte das Team feststellen, dass die gesamte Wassermenge in Deutschland jedes Jahr um etwa 760 Millionen Tonnen Wasser abnimmt (zur Pressemeldung: https://www.uni-bonn.de/de/neues/deutschland-verliert-durchschnittlich-760-millionen-tonnen-wasser-pro-jahr). Da es den Satelliten jedoch an zeitlicher und räumlicher Auflösung mangelt, können diese Erkenntnisse derzeit räumlich kaum weiter, zum Beispiel für einzelne Bundesländer, eingegrenzt werden.
„ESA entwickelt die „Next Generation Gravity Mission“ (NGGM), um die Überwachung von Massenveränderungen mit höherer zeitlicher und räumlicher Auflösung, kürzeren Latenzzeiten und höherer Genauigkeit zu ermöglichen“, sagt Dr. Ilias Daras, Mission Scientist bei der ESA für NGGM. „Die ESA kooperiert außerdem mit der NASA im Rahmen der „Mass Change and Geosciences International Constellation“ (MAGIC).“ Die MAGIC Konstellation wird aus NGGM und der NASA-DLR Satellitenmission GRACE-C bestehen, wobei jeweils zwei Satellitenpaare zeitversetzt eingesetzt werden. Mit der Next Generation Gravity Mission und dem MAGIC-Konzept kann das Team des SFB ihre Modelle verfeinern, sobald die Daten verfügbar sind. „Die NGGM-Satelliten ermöglichen es uns, die sich verändernden Wasserressourcen der Erde mit bisher nie da gewesener Auflösung und Präzision zu kartieren“, sagt Jürgen Kusche, der auch Mitglied in den Transdisziplinären Forschungsbereichen (TRA) „Modelling“, „Matter“ und „Sustainable Futures“ der Universität Bonn ist sowie ESA und NASA in Bezug auf das MAGIC-Konzept berät. „Dadurch werden wir die Ursachen von Dürren und Überschwemmungen besser nachvollziehen können, genauso wie die langfristigen Trends die zu trockneren und feuchteren Regionen führen, die bereits in verschiedenen Klimazonen zu beobachten sind.“
Das interdisziplinäre Team des SFB, das aus so verschiedenen Disziplinen wie der Hydrologie, Meteorologie, Geodäsie, Erdsystem-Modellierung, Fernerkundung, und Agrarökonomie kommt, wird diese Daten nutzen, um die in den vergangenen vier Jahren entwickelten Klimamodelle zu validieren und zu kalibrieren und die unterschiedlichen Szenarien der Feucht- und Trockenperioden zu untersuchen. Wissenschaftler des SFB1502 sind auch am ESA-Konsortium SING (Studying the Impact of the NGGM and MAGIC Gravity Missions) beteiligt, in dem bereits heute die Algorithmen für die Auswertung der NGGM-Daten entwickelt und getestet werden.
„Dies ist eine einmalige Gelegenheit für uns, und für unser Projekt von unschätzbarem Wert“, fasst Annika Nitschke zusammen. Die Doktorandin am Institut für Geodäsie und Geoinformation, deren Stelle zur Hälfte von der ESA finanziert wird, beschäftigt sich mit der Kopplung von Wasser- und Kohlenstoffkreisläufen und der Integration der NGGM-Daten in Modelle.
Im SFB 1502 werden bereits unterschiedliche Erdbeobachtungsdaten eingesetzt, beispielsweise auch um Landnutzungsänderungen oder Vegetationsparameter zu erfassen oder die Wasserstände von Flüssen, Seen und in Feuchtgebieten zu messen. Die Forschenden rechnen damit, die NGGM-Daten ab 2032 in ihre Modelle integrieren zu können.