23. September 2021

Region als gemeinsame Aufgabe Region als gemeinsame Aufgabe

Ausstellung zur Gründung des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande vor 100 Jahren

Ab dem 28. September 2021 bis zum Ende der Vorlesungszeit im Februar 2022 zeigt das Universitätsmuseum eine Ausstellung unter dem Titel „Region als gemeinsame Aufgabe“, die sich mit der Geschichte des Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande (IGL) befasst. Unter seinem Dach forschten und lehrten die Landesgeschichte, die rheinische Sprachforschung und die Volkskunde der Rheinlande gemeinsam.

Drei Standorte des Instituts in einer Zeichnung von Anna Thinius
Drei Standorte des Instituts in einer Zeichnung von Anna Thinius © (c) Philipp Gatzen
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Am 24. September 1920 hatte der seinerzeit zuständige preußische Minister der Institutsgründung formell zugestimmt. Infolge der Pandemie wird die Gründung jetzt ein Jahr später als geplant thematisiert. Die Ausstellung spannt in acht Stationen den Bogen von der Gründung des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande (IGL) im Jahre 1920 über seine Forschungen während der NS-Zeit sowie die großen Veränderungen in den Nachkriegsjahrzehnten bis hin zur Auflösung des IGL und zu den heutigen Abteilungen.

Charakteristikum des Instituts war die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Das frisch gegründete Institut sollte sich der Analyse eines bestimmten Raumes widmen und dazu disziplinübergreifend alle erreichbaren Quellen nutzen. Es hieß im späteren „Bonner Konzept der Kulturraumforschung“, „dass die lokalen Quellen ohne Kenntnis der besonderen Verhältnisse (…) sehr viel von ihrer lebendigen Zeugniskraft verlieren.“ Hieran zeigt sich das Selbstbewusstsein der Gründer, mit ihrem Projekt neue wissenschaftliche Pfade zu betreten. Die Wahl eines festgelegten Forschungsgegenstandes, der anschließend aus allen möglichen Winkeln betrachtet werden sollte, stellte damals einen innovativen Ansatz dar. Die in Bonn entwickelte landeskundliche Methode stand in der Folge Modell für weitere Institutsgründungen in Deutschland.

Bezeichnend für das Bonner Instituts war außerdem der Schulterschluss mit lokalen und regionalen Geschichtsvereinen der Rheinlande. Während das Historische Seminar vor allem die Lehrerausbildung und den wissenschaftlichen Diskurs im Blick hatte, sollte das IGL in die Rheinprovinz hinein wirken.
Seit Ende der 60er wurden die interdisziplinären Potenziale des Instituts nur noch selten genutzt. Grund hierfür waren einerseits die steigenden Zahlen der Lehrverpflichtungen, andererseits die zunehmenden Spezialisierungen und internen Entwicklungen der einzelnen Fächer und Abteilungen. Die Möglichkeiten der Interdisziplinarität wurden aber immer wieder in Publikationen wie der von Franz Petri und Georg Droege herausgegebenen „Rheinischen Geschichte“ und in gemeinsamen Forschungsprojekten fruchtbar und sichtbar.

"Die Rheinlande sind deutsch."

Die Landeskunde sollte stets der Erforschung der regionalen Eigenheiten dienen, um immer auch den Nachweis zu erbringen, dass die Rheinlande zu Deutschland gehören - und nicht zu Frankreich. Das Ende der 20er Jahre entwickelte Konzept der „Kulturraumforschung“ wurde dann im NS-Staat zur „West- und Grenzlandforschung“, nicht zuletzt um Eroberungen in Belgien und Nordfrankreich scheinbar zu legitimieren. Ein besonderes Augenmerk hatte das Institut von Anfang an in allen Abteilungen auf die Herstellung von Karten gerichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden einzelne Aspekte der regionalen Geschichte in den Vordergrund gerückt. Die Interdisziplinarität ging zurück und wich einem Nebeneinander der Abteilungen.

In weiteren Stationen werden die Leistungen aller drei Abteilungen thematisiert, die Indienstnahme der Kulturraumforschung für den Nationalsozialismus behandelt und nicht zuletzt auch die Arbeit von Edith Ennen als erste Ordinaria der Universität Bonn gewürdigt. Sie führte als einzige Wissenschaftlerin die Geschäfte des Instituts während des Zweiten Weltkriegs weiter, weil alle wehrfähigen Männer eingezogen waren. Über Feldpostbriefe hielt sie Kontakt zu Professoren, Assistenten und Doktoranden.

Von Bologna bis heute

Die Bologna-Reform löste entscheidende Veränderungen im Institut aus. Die Landesgeschichte wurde Teil des Instituts für Geschichtswissenschaft, die Sprachforschung Teil der Germanistik; die Volkskunde wurde aufgelöst und erstand als Kulturanthropologie wieder. Der im Zuge einer Einsparungswelle der damaligen NRW-Landesregierung gefasste Entschluss, die Landesgeschichte ganz abzuschaffen, wurde wieder aufgehoben. Der Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit und der Lehrstuhl für Rheinische Landesgeschichte blieben je zur Hälfte erhalten und wurden zusammengelegt. Prof. Dr. Michael Rohrschneider leitet heute die "Abteilung für Geschichte der Frühen Neuzeit und Rheinische Landesgeschichte“. Sie wird flankiert vom "Zentrum für Historische Friedensforschung“ und vom „Verein für Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande“. Mit der Landeskunde sind gemeinsam im ehemaligen Institutsgebäude die Abteilung Kulturanthropologie/Volkskunde und die Arbeitsstelle Rheinische Sprachforschung angesiedelt, deren Akademieprojekt „Dialektatlas Mittleres Westdeutschland (DMW)“ die fruchtbare Tradition der Bonner Dialektforschung fortführt.

Die Ausstellung basiert in erster Linie auf den Archivalien und den Fotografien aus dem Bestand des Bonner Universitätsarchivs. Die Bonner Künstlerin Anna Thinius steuert Bilder bei, die einzelne Themen der Ausstellung illustrieren. Kurator der Ausstellung ist Philipp Gatzen M.A..

Eröffnung der Ausstellung: Die Ausstellung wird am 28. September auf der virtuellen Tagung "Rheinische Landeskunde im Wandel. 100 Jahre Gründung des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande" eröffnet. Die Tagung wird ausgerichtet von den drei Abteilungen und dem Verein für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande. Die Ausstellung wird zu einem späteren Zeitpunkt dauerhaft virtuell besucht werden können.

Öffnungszeiten: "Region als gemeinsame Aufgabe" wird im Universitätsmuseum Bonn gezeigt, mittwochs bis sonntags von 12.00 bis 16.30 Uhr. Der Eintritt zur Ausstellung ist frei.

Anmeldung zur Tagung:
Florian Sommer M.A., E-Mail: fnzrlg.verein@uni-bonn.de
Universität Bonn, Abt. für Geschichte der Frühen Neuzeit und Rheinische Landesgeschichte

Tagungsblog:
http://histrhen.landesgeschichte.eu/category/veranstaltung/igl1920-veranstaltung

Ansprechpartner zum Blog:
Jochen Hermel M.A., Histrhen. Rheinische Geschichte wissenschaftlich bloggen,
E-Mail: histrhen@web.de

Ansprechpartner zur Ausstellung:
Dr. Thomas Becker, Leiter des Universitätsmuseums,
E-Mail: thomas.becker@verwaltung.uni-bonn.de

Video: uni-bonn.tv wurde ein erster Blick in die Ausstellung gewährt:
https://www.youtube.com/watch?v=844Ire6hDn0

Edith Ennen schrieb Feldpostbriefe an die Universitätsangehörigen
Edith Ennen schrieb Feldpostbriefe an die Universitätsangehörigen © (c) Philipp Gatzen
Anna Thinius hat u. a. Fotografien für diese Ausstellung künstlerisch weiter verarbeitet
Anna Thinius hat u. a. Fotografien für diese Ausstellung künstlerisch weiter verarbeitet © (c) Philipp Gatzen
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