15. September 2020

Waldschutz-Pilotprojekte mit geringer Wirkung Waldschutz-Pilotprojekte mit geringer Wirkung

Studie der Universität Bonn untersucht den Effekt von REDD+-Projekten im brasilianischen Amazonas-Gebiet

Pilotprojekte zum Schutz des Tropenwaldes sind oft längst nicht so wirkungsvoll, wie erwartet. Das zeigt eine aktuelle Studie, die Wissenschaftler der Universität Bonn zusammen mit Kollegen aus dem Vereinigten Königreich und den USA durchgeführt haben. Die Forscher empfehlen daher alternative Finanzierungsmodelle für solche REDD+-Projekte. Sie sollten sich stärker als bislang an der nachweislich erbrachten Schutzwirkung orientieren. Die Studie ist in der Zeitschrift PNAS erschienen.

Regenwald:
Regenwald: - Die Entwaldung im Amazonas-Gebiet Brasiliens schreitet weiter voran. Die in der Studie untersuchten nach 2007 etablierten REDD+-Projekte hatten bis heute nur eine geringe Schutzwirkung. © Symbolbild: COLOURBOX.de
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REDD+-Projekte verfolgen das Ziel, die fortschreitende Entwaldung zu verlangsamen und damit auch einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Durchgeführt werden sie zum Beispiel von nichtstaatlichen Organisationen, sogenannten NGOs, Umweltschutzverbänden oder auch Privatinitiativen. Dafür erhalten die Verantwortlichen handelbare Emissions-Zertifikate, die sie über entsprechende Marktmechanismen verkaufen können. Vorab soll eine Überprüfung durch Zertifizierungs-Agenturen dabei sicherstellen, dass die Projekte tatsächlich die angestrebten Schutzeffekte erreichen.

Diese Überprüfung basiert jedoch oft auf falschen Annahmen, wie die Studie nun zeigt: Dabei wird nämlich der erwartete Waldbestand zum Projekt-Ende mit dem Bestand verglichen, der sich vermutlich ohne Schutzmaßnahmen ergeben würde. „Dieser Vergleichswert – also die Prognose der Waldentwicklung ohne REDD+-Projekt – wird oft berechnet, indem man die historische Entwaldungsrate bei Projektbeginn einfach fortschreibt“, erklärt Dr. Thales West. Der brasilianische Wissenschaftler hat die Studie am Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn geleitet; er ist inzwischen am Waldforschungsinstitut Scion in Neuseeland tätig.

Die Extrapolation historischer Entwaldungsdaten hat einen großen Haken: Sie liefert nur zuverlässige Werte, solange die Entwaldung konstant voranschreitet. Wenn jedoch neue Umweltgesetze in Kraft treten oder die Nachfrage nach Land sinkt und sich so die Umwandlung von Wäldern in Agrarflächen verlangsamt, ist das nicht mehr der Fall. „Genau das konnten wir in unserer Studie im Amazonasgebiet Brasiliens beobachten“, erklärt Prof. Dr. Jan Börner vom ZEF. „Wir haben zwölf REDD+-Projekte untersucht, die dort nach 2007 etabliert wurden. In den Folgejahren hat sich die Entwaldung dort aber ohnehin deutlich verlangsamt. Wenn wir diesen allgemeinen Trend im Amazonas-Gebiet berücksichtigen, sehen wir, dass die REDD+-Projekte so gut wie keinen zusätzlichen Schutzeffekt erzielt haben.“

Tropenwaldschutz wirksamer finanzieren

In ihrer Studie zogen die Forscher eine große Anzahl von potenziellen Vergleichsflächen heran, in denen kein REDD+-Projekt etabliert worden war. So konnten sie für jedes REDD+ Projekt verlässlich abschätzen, wie sich der Waldbestand ohne Projektintervention entwickelt hätte. Das Urteil der Wissenschaftler fällt harsch aus: Die meisten der untersuchten Initiativen hätten bis heute keinen zusätzlichen Tropenwald geschützt. Weltweit wurden allein im Jahr 2018 Emissions-Zertifikate aus REDD+-Projekten im Wert von fast 100 Millionen US-Dollar gehandelt. „Auch wenn sich die Ergebnisse aus Brasilien nicht einfach auf andere Länder und Projekte übertragen lassen, besteht doch die Gefahr, dass hier viel Geld für heiße Luft ausgegeben wurde“, sagt Börner.

Die Studienautoren zweifeln nicht am Nutzen nichtstaatlicher Investitionen in den Tropenwaldschutz. Dennoch empfehlen sie, die Finanzierung von REDD+-Projekten zu überdenken. Zunächst müsse man die Schutzprogramme mit einer Teilsumme anschieben. Im Projektverlauf ließe sich dann aber die Vergabe der Mittel daran koppeln, wie die REDD+-Gebiete im Vergleich zur gesamten Region abschneiden, und vor allem die Projekte weiter finanzieren, die das Versprechen in ihrem Namen (REDD steht für Reduced Emissions from Deforestation and Forest Degradation) tatsächlich erfüllt haben. Dabei sollte das Risiko konjunkturell bedingter Schwankungen der Entwaldungsraten nicht auf einzelne Projekte abgewälzt werden. Börner: „Investitionen in den Waldschutz müssen planbar bleiben.“

Publikation: Thales A. P. West, Jan Börner, Erin O. Sills und Andreas Kontoleon: Overstated carbon emission reductions from voluntary REDD+ projects in the Brazilian Amazon. PNAS; DOI: 10.1073/pnas.2004334117

Kontakt:

Prof. Dr. Jan Börner
Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik
Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn
Sprecher: Transdisciplinary Research Area 6 “Sustainable Futures”
Tel. 0228/73-3548
E-Mail: jborner@uni-bonn.de

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