28. August 2025

Dynamiken der Macht Dynamiken der Macht

Der 55. Historikertag wird an der Uni Bonn ausgerichtet vom 16. bis 19. September

Der Historikertag in Bonn: „Macht“ und „Machtmissbrauch“ sind derzeit in aller Munde — sei es bei Fällen der #MeToo-Bewegung oder infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Mal wird gefragt, wie sich Machtmechanismen verändern lassen und an anderer Stelle erscheint Macht als unhintergehbare Größe, die eine regelbasierte Ordnung in Frage stellt. Der 55. Historikertags dreht sich in Vorträgen, Fachsektionen und auch öffentlichen Podiumsdiskussionen vom 16. bis 19. September 2025 in Bonn um das Generalthema „Dynamiken der Macht“

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UniBonnHauptgebaeudeLannert.jpg - An der Uni Bonn findet der 55. Historikertag statt. © Lannert / Uni Bonn
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Mit dabei sind auch zwei Wissenschaftlerinnen des Bonner Instituts für Geschichtswissenschaft: Julia Gehrke und Frederice Charlotte Stasik sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Doktorandinnen am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte von Prof. Dr. Friedrich Kießling. Sie forschen zu Fragen der Zeitgeschichte der Bundesrepublik Deutschland vor dem Hintergrund internationaler Beziehungen.

In ihrem Promotionsprojekt untersucht Julia Gehrke Veränderungen in der Rolle der Bundesrepublik Deutschland in den 1980er Jahren anhand der UNESCO-Krise. Weithin sichtbar wurde diese damals durch den Austritt der USA. Angesichts des dadurch entstandenen harten Einschnitts bei Image und Finanzen der UNESCO diskutierten die westdeutschen Akteure – staatliche wie etwa das Auswärtige Amt und nicht staatliche wie beispielsweise die Deutsche UNESCO-Kommission – über die der Bundesrepublik zugefallenen Rolle, das Selbstverständnis und die Erwartungen an ihr internationales Handeln. Dabei zeigt sich, dass die Bonner Republik im multilateralen Kontext mehr Verantwortung übernahm, zunehmend selbstbewusst auftrat und mit Mitteln der „soft power“ agierte, also der Beeinflussung durch Überzeugungs- und Anziehungskraft mit Werten ohne Anwendung von Zwangsmaßnahmen. Auch in den folgenden Jahrzehnten musste sich die Bundesrepublik immer wieder neu positionieren.

Neue Herausforderungen führten zu immer wieder neuen Debatten, ob und inwieweit eine militärische Einsatzbeteiligung der Bundeswehr „Out-of-Area“ möglich sei. Solche untersucht Frederice Charlotte Stasik in ihrem Promotionsprojekt und legt dabei einen Fokus auf den Einfluss von wissenschaftlichen und sicherheitspolitischen Akteuren. Anfragen von Bündnispartnern entfachten eine bundesdeutsche Debatte über die Möglichkeit einer militärischen Einsatzbeteiligung der Bundeswehr „Out-of-Area“. Während die ersten Anfragen einer Beteiligung der Bundeswehr von deutscher Regierungsseite abgelehnt wurden, veränderte sich dies mit der stärkeren Einbindung in die Bündnispartnerschaften NATO, WEU und Vereinte Nationen. Auch andere Faktoren prägten die Debatte maßgeblich – etwa ökonomische Verflechtungen, Bemühungen von Friedensaktivist*innen, die deutsche Einheit und vor allem die innenpolitische Debatte um die Auslegung des Grundgesetzes Art. 24 u. 87a GG sowie die rechtlichen Zulässigkeit von Bundeswehreinsätzen jenseits der Landes- und Bündnisverteidigung. Das Projekt verortet sich an der Schnittstelle von neuer Politikgeschichte und Diskursgeschichte und leistet einen geschichtswissenschaftlichen Beitrag zu aktuellen sicherheitspolitischen Fragestellungen.

2000 Teilnehmer in 70 Fachsektionen. Drei öffentliche Diskussionen

Auf dem Historikertag mit voraussichtlich über 2.000 internationalen Teilnehmern werden die beiden Bonner Wissenschaftlerinnen ihre bisherigen Ergebnisse in einer von 70 Fachsektionen im Rahmen der größten geisteswissenschaftliche Fachkonferenz Deutschlands vortragen. Aller Erfahrung nach entwickelt sich auf dem Historikertag stets auch der Austausch der Wissenschaftler mit Politik und Gesellschaft, der über das Fach hinaus in die Gesellschaft wirkt. „Dynamiken der Macht“ bieten hier verschiedene Ansatzpunkte wie beispielsweise der Schutz vor Machtmissbrauch, auch prekäre Arbeitsverhältnisse im akademischen Betrieb, nicht zuletzt Rassismus und Antisemitismus in Machtverhältnissen, oder auch Fragen zum Einfluss Künstlicher Intelligenz auf die Wissenschaft.

55. Historikertag, ausgerichtet an der Uni Bonn
55. Historikertag, ausgerichtet an der Uni Bonn - Geschichtswissenschaftlerinnen vor geschichtsträchtigem Gebäude: Julia Gehrke (links) und Frederice Charlotte Stasik vor dem Historischen Seminar der Uni Bonn. © Volker Lannert / Uni Bonn

Auf drei Podien, den sogenannten TopThemen der Fachtagung, öffnet sich der Historikertag der interessierten Öffentlichkeit. Experten aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft diskutieren aktuelle, relevante Themen. Es stehen die Rückkehr der Großmächte, die Machtfigurationen in der Moderne sowie die Freiheit der Wissenschaft auf der Tagesordnung. Der Besuch der TopThemen ist kostenfrei; eine Anmeldung ist erforderlich.

Rückkehr der Großmachtpolitik. Was bleibt von den Alternativen?
Mittwoch, 17. September 2025, 14:00-15:40 Uhr, Hörsaal 1

Die Logik rücksichtsloser Machtpolitik scheint in der internationalen Politik aktuell unaufhaltsam. Das Panel analysiert den dominierenden Machtbegriff und wägt Chancen des Völkerrechts oder der internationalen Institutionen. Wann waren diese erfolgreich und wann versagten sie? Welche Ordnungen von Macht erwiesen sich historisch als stabil? Was kann denen, die sich an keine Regeln halten, entgegengesetzt werden? Das Panel möchte das Erkenntnispotential des historischen Blicks für die Gegenwart der internationalen Beziehungen nutzen. Sie ist dramatisch genug. Analysierende Orientierung tut Not wie selten. Die Diskussionsrunde garantiert diverse Sichtweisen aus unterschiedlichen fachwissenschaftlichen Perspektiven und der politischen Praxis. 
Es moderiert Friedrich Kießling, Uni Bonn. 
Es diskutieren: Madeleine Herren-Oesch (Basel), Emily Haber (Bot-schafterin und Staatssekretärin a.D.), Dominik Geppert (Potsdam), Christoph Safferling (Erlangen-Nürnberg/Direktor Akademie Nürnberger Prinzipien)

Die Freiheit der Geschichtswissenschaft. Bedrohungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts
Mittwoch, 17. September 2025, 16:00–17:40 Uhr, Hörsaal 1

Die Wissenschaftsfreiheit wird weltweit bedroht. Die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO) etwa wurde von der Russischen Regierung als „extremistische Organisation“ eingestuft. Auf die Zusammenarbeit mit der DGO stehen Haftstrafen in Russland. In Deutschland wurden die Server der DGO durch Hackerangriffe lahmgelegt und ausgespäht. Und die Gefahr geht nicht allein von Russland aus. Donald Trumps Feldzug gegen Kultur, Zivilgesellschaft und auch die Wissenschaftsfreiheit ist in seinen Folgen noch nicht absehbar. Wie sieht es in Deutschland aus? Historiker und andere Wissenschaftler diskutieren, was Wissenschaftsfreiheit ist, wo und wie sie bedroht wird, und was diesen Entwicklungen entgegen gestellt werden kann. 
Es moderieren Anke Hilbrenner (Düsseldorf) und Martina Winkler (Kiel). 
Es diskutieren: Maren Röger (GWZO Leipzig), Andrea Geier (Universität Trier), Deborah Gerstenberger (hist4dem), Johannes Grave (DFG)

Macht in der Moderne. Perspektiven der Forschung auf Geschichte und Gegenwart
Donnerstag, 18. September 2025, 16:00–17:40 Uhr, LVR-Landesmuseum

Seit dem 19. Jahrhundert veränderten sich Machtkonstellationen rasant. Ebenso verschoben sich die Begriffe und Vorstellungen von Macht – und dies prägte auch die historische Forschung, die stets nicht nur Beobachterin, sondern selbst in Machtgefüge eingebunden war und ist. Eine Debatte über die Machtkonzepte, mit denen unterschiedliche Konstellationen, Phasen und Regionen analysiert werden, findet jedoch in der Geschichtswissenschaft selten statt. Eine bewusste Historisierung auch dieser selbstverständlich gewordenen Machtkritik kann dazu beitragen, klarer über die Legitimität von Entscheidungen und Herrschaft in der Gegenwart nachzudenken. Die Podiumsdiskussion möchte eine disziplinäre Selbstverständigung anregen. 
Sie diskutiert erstens theoretische und methodische Zugänge zum Verständnis von Macht in der Moderne. Zweitens richtet sich das Erkenntnisinteresse auf Praktiken der Konstituierung und Legitimierung von Macht. Drittens soll die Differenz zwischen liberaler und illiberaler Machtausübung betrachtet werden, die als zunehmend verwischt erscheint. Viertens wird die normative Engführung von Macht problematisiert, die in der Gegenwart meist negativ bewertet wird, für das Verständnis historischen Wandels und der Konstituierung des Sozialen aber grundlegend ist. 
Es diskutieren: Frank Bösch (Potsdam), Madeleine Herren-Oesch (Basel), Stefanie Middendorf (Jena), Klaus Mühlhahn, (Berlin), Martin Schulze Wessel (München)

Der Besuch der öffentlichen Veranstaltungen ist kostenfrei.

Eine Anmeldung ist erforderlich.

Dr. Felix Gräfenberg
presse@historikerverband.de
+49 1514 7067502

Weitere Information, zu den TopThemen und zum gesamten Programm des 55. Historikertags in Bonn.

Der Historikertag ist heute einer der größten geisteswissenschaftlichen Kongresse in Europa. Der Öffentlichkeit werden Ergebnisse der historischen Forschung vorgestellt. Fachwissenschaftler besprechen wechselseitig ihr Vorgehen und ihre Ergebnisse. Der 55. Deutsche Historikertag wird ausgerichtet vom Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) und dem Ortskomitee der Universität Bonn in Kooperation mit dem Verband der Geschichtslehrerinnen und -lehrer Deutschlands (VGD).

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