Für den sanierungsbedingten Auszug des Kunsthistorischen Instituts (KHI) aus dem Hauptgebäude der Uni Bonn war auch die historisch gewachsene Fotosammlung einzupacken, zum Teil auch noch zu inventarisieren und zu digitalisieren. In Lehrveranstaltungen wurden Studierende an die Erforschung von Fotografien herangeführt und lernten dabei die Fotosammlung als Lehrsammlung des KHI kennen.
Masterstudentin Jasmin Roth ist fasziniert von der Fotosammlung, nicht zuletzt von ihrer Bedeutung für die Demokratisierung des Wissens: Fotografien von Ereignissen, Personen oder auch Objekten vervielfachen die Chance, darüber etwas zu erfahren: Viele Abzüge, die vielen Betrachtern zugänglich werden konnten, beschleunigten die Wissensverbreitung. Die Faszination wurde zum Masterprojekt der Studentin, das jetzt in eine neue Sonderausstellung des KHI mündet.
Die Ausstellung „Abbild der Zeit. Die Moderne und ihre Kunst in der Fotosammlung des KHI“ fokussiert auf die Zeit nach 1945 und wird ab dem 17. Juli bis zum 17. Oktober 2025 im Paul-Clemen-Museum der Universität Bonn gezeigt. Die Masterstudentin hat die Themenbereiche der Fotosammlung für die Ausstellung ausgewählt, dazu die Exponate ausgesucht, Ausstellungs- und Werbetexte recherchiert und geschrieben, dann auch die Grafiken und Exponatsschilder gestaltet, Leihgaben organisiert und alles Organisatorische mit dem Paul-Clemen-Museum abgestimmt.
Auf Karton montierte Fotoabzüge zeigen Fotos von Kunstwerken, beispielsweise Picassos “Der Traum“, um Kunstwerke zu veranschaulichen, für Studierende, Lehrende und Forschende. Die neue Sonderausstellung „Abbild der Zeit“ stellt Fotos von Kunstwerken der Künstler Piet Mondrian, Paul Cézanne, August Macke, Paul Klee, Günter Ferdinand Ris, Wilhelm Loth, Norbert Kricke und weiteren Künstlern des 19. und 20. Jahrhunderts vor. Aber es geht stets nicht um die Künstler und ihre Kunstwerke, sondern um die Fotos, die Fotografen und die Nutzung der Bilder in Lehre, Studium und Forschung. So werden auch die Entstehungszusammenhänge vorgestellt: Zu sehen sind beispielsweise Briefe von Lehrenden, Bestandslisten sowie Publikationen, die zeigen, wie das Bildmaterial in Forschung und Kunstgeschichtsschreibung genutzt wurde.
In der Ausstellung sind insgesamt etwa 40 Fotos aus der Fotosammlung des KHI zu sehen. Hinzu kommen Archivalien, Bücher sowie 30 Dias. Die Moderne und ihre Kunst in der Fotosammlung des KHI, so der Untertitel der Ausstellung „Abbild der Zeit“ über die Fotosammlung des KHI nach 1945, präsentiert insgesamt über 100 Exponate. Die Motive spiegeln die fachlichen Interessen der Kunsthistoriker: Fotos gibt es zur Hochschulreform der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts, zur Ent-icklung der Museumslandschaft der alten Bundesrepublik, auch des Kunstmarkts im Rheinland.
Erste Atelierbesuche
Dass zeitgenössische Kunst in Lehrveranstaltungen thematisiert wurde, war in den 70erJahren ein Novum, erklärt Kuratorin Jasmin Roth. Dazu stellt die Schau auch Fotos beispielsweise von Plastiken vor, die in den Jahren zwischen 1950 und 1980 entstanden sind und ihren Weg über die Fotografie in Lehrveranstaltungen fanden.
Eduard Trier war einer der zentralen Akteure in den Netzwerken zeitgenössischer Kunst nach 1945 schließlich Professor für Kunstgeschichte am KHI von 1972 bis zu seiner Emeritierung 1985. Er gehörte zu den ersten Hochschullehrern und kunsthistorischen Forschern, die Künstler in ihren Ateliers besucht haben. Fotografien, die anlässlich solcher Atelier-Besuche entstanden, zählen bis heute zur Fotosammlung des KHI und wurden in Lehrveranstaltungen eingesetzt, um über diese zeitgenössische Kunst sprechen zu können. Die Ausstellung zeigt zusammen die Fotos, die Publikationen Triers und seine Seminarpläne. So werden Fotos dabei sein, die als Abbilder entstanden und heute selbst Quellenmaterial sind.
Praktische Übungen mit Heinrich Lützeler
Triers Vorgänger Heinrich Lützeler, seit 1946 Professor am KHI, war einer der ersten, der die Kunst der Moderne in Lehrveranstaltungen überhaupt thematisierte. Für Abbildungen in seinen Publikationen über moderne Kunst verwendete Lützeler Vorlagen aus der Fotosammlung des KHI, die jetzt in der Ausstellung u sehen sein werden. Schon Paul Clemen war ein Förderer der Fotosammlung. Er beschaffte systematisch Fotoabzüge, hat selbst „Praktische Übungen im Photographieren und im Aufmessen von Gebäuden“ angeboten und ließ ein Fotostudio mit Dunkelkammer einrichten. Später wurde für Studierende ein „Lehrgang für das Photographieren von Kunstwerken“ eingeführt.
Die Fotosammlung umfasst heute etwa 100 000 Schwarz-Weiß-Abzüge, außerdem etwa 5000 Glasdiapositive sowie zahlreiche Kleinbilddias. Zusammen mit den historischen Projektoren ist die kunsthistorische Fotosammlung des KHI ein wichtiges Zeugnis der kunsthistorischen Wissenschaftsgeschichte.