29. März 2021

Ein neuer Zustand des Lichts Ein neuer Zustand des Lichts

Physiker der Universität Bonn beobachten neue Phase in Bose-Einstein-Kondensat aus Lichtteilchen

Ein einziges „Super-Photon“ aus vielen Tausend einzelnen Lichtteilchen – rund zehn Jahre ist es her, dass Forscher der Universität Bonn einen solchen extremen Aggregatzustand zum ersten Mal herstellten und eine völlig neue Lichtquelle zeigten. Optisches Bose-Einstein-Kondensat nennt sich der Zustand, der seitdem eine Reihe von Physikern in seinen Bann zieht, denn in dieser exotischen Welt der Lichtteilchen spielen sich ganz eigene physikalische Phänomene ab. Von ihrer neuesten „Expedition“ in die Quantenwelt sind Wissenschaftler um Prof. Dr. Martin Weitz, den Entdecker des Super-Photons, und dem theoretischen Physiker Prof. Dr. Johann Kroha mit einer ganz besonderen Beobachtung zurückgekommen. Sie berichten von einem neuen, bisher unbekannten Phasenübergang im optischen Bose-Einstein-Kondensat. Es handelt sich dabei um eine sogenannte überdämpfte Phase. Die Ergebnisse könnten langfristig für die verschlüsselte Quantenkommunikation relevant sein. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Science erschienen. ACHTUNG SPERRFRIST: Nicht vor Donnerstag, 1. April, 20:00 Uhr veröffentlichen!

Das Forscherteam (von links):
Das Forscherteam (von links): - Prof. Dr. Martin Weitz, Dr. Julian Schmitt, Dr. Frank Vewinger, Prof. Dr. Johann Kroha und Göran Hellmann vom Institut für Angewandte Physik der Universität Bonn. © © Gregor Hübl/Uni Bonn
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Das Bose-Einstein-Kondensat ist ein extremer Aggregatzustand, der üblicherweise nur bei sehr niedrigen Temperaturen stattfindet. Das Besondere: Die Teilchen in diesem System lassen sich nicht mehr unterscheiden und befinden sich überwiegend im selben quantenmechanischen Zustand, verhalten sich also wie ein einziges riesiges „Superteilchen“. Der Zustand kann daher durch eine einzige Wellenfunktion beschrieben werden.

2010 gelang es den Forschern um Martin Weitz zum ersten Mal, ein Bose-Einstein-Kondensat aus Lichtteilchen (Photonen) zu erzeugen. Bis heute hat sich ihr spezielles System bewährt: Die Physiker fangen Lichtteilchen in einem Resonator aus zwei gekrümmten Spiegeln ein, die in einem Abstand von nur etwas mehr als einem Mikrometer angeordnet sind und einen sich schnell hin- und herbewegenden Lichtstrahl reflektieren. Der Zwischenraum ist gefüllt mit einer flüssigen Farbstofflösung, die dazu dient, die Photonen abzukühlen. Dazu „verschlucken“ die Farbstoffmoleküle die Photonen und spucken sie anschließend wieder aus, wodurch die Lichtteilchen auf die Temperatur der Farbstofflösung – entspricht Raumtemperatur – gebracht werden. Hintergrund: Das System macht es überhaupt erst möglich, Lichtteilchen abzukühlen, denn ihre natürliche Eigenschaft ist es, sich bei Abkühlung aufzulösen.

Klare Trennung zweier Phasen

Phasenübergang – so nennen Physiker den Übergang zwischen Wasser und Eis beim Gefrieren. Aber wie kommt es zu dem besonderen Phasenübergang innerhalb des Systems der eingefangenen Lichtteilchen? Die Wissenschaftler erklären es so: Durch die etwas lichtdurchlässigen Spiegel gehen Photonen verloren und werden wieder ersetzt – ein Nichtgleichgewicht, das dazu führt, dass das System keine eindeutige Temperatur einnimmt und in eine Schwingung versetzt wird. Das lässt einen Übergang zwischen dieser oszillierenden Phase und einer gedämpften Phase entstehen. Gedämpft bedeutet, dass die Amplitude der Schwingung abnimmt.

„Die von uns beobachtete überdämpfte Phase entspricht sozusagen einem neuen Zustand des Lichtfelds“, sagt Erstautor Fahri Emre Öztürk, Doktorand am Institut für Angewandte Physik der Universität Bonn. Die Besonderheit ist, dass der Effekt des Lasers üblicherweise nicht von dem der Bose-Einstein-Kondensation durch einen Phasenübergang getrennt ist und es keine scharf definierte Grenze zwischen beiden Zuständen gibt. Das bedeutet, dass die Physiker kontinuierlich zwischen den Effekten hin- und herfahren können.

„In unserem Experiment ist hingegen der überdämpfte Zustand des optischen Bose-Einstein-Kondensats durch einen Phasenübergang von sowohl dem oszillierenden Zustand als auch einem üblichen Laser getrennt“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Martin Weitz. „Das zeigt, dass es ein Bose-Einstein-Kondensat gibt, das wirklich ein anderer Zustand als der übliche Laser ist. Anders ausgedrückt, haben wir es mit zwei getrennten Phasen des optischen Bose-Einstein-Kondensats zu tun“, betont er.

Aufbauend auf den Ergebnissen wollen die Wissenschaftler in weiteren Studien nach neuen Zuständen des Lichtfelds in mehreren gekoppelten Lichtkondensaten suchen, die in dem System ebenfalls auftreten können. „Wenn in gekoppelten Lichtkondensaten geeignete quantenmechanisch verschränkte Zustände auftreten, kann das interessant sein, um quantenverschlüsselte Nachrichten zwischen mehreren Teilnehmern zu übertragen“, sagt Fahri Emre Öztürk.

Förderung:

Die Studie erhielt finanzielle Unterstützung durch den von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereich TR 185 „OSCAR - Kontrolle atomarer und photonischer Quantenmaterie durch maßgeschneiderte Kopplung an Reservoire“ der Universitäten Kaiserslautern und Bonn sowie den Exzellenzcluster ML4Q der Universitäten Köln, Aachen, Bonn sowie des Forschungszentrums Jülich. Der Exzellenzcluster ist eingebettet in den Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Bausteine der Materie und grundlegende Wechselwirkungen“ der Universität Bonn. Darüber hinaus wurde die Studie gefördert durch die Europäische Union im Rahmen des Projekts „PhoQuS - Photons for Quantum Simulation“ und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.

Publikation: Fahri Emre Öztürk, Tim Lappe, Göran Hellmann, Julian Schmitt, Jan Klaers, Frank Vewinger, Johann Kroha & Martin Weitz: Observation of a Non-Hermitian Phase Transition in an Optical Quantum Gas. Science, DOI: 10.1126/science.abe9869

Video: https://youtu.be/PHSNJIu2IVo

Kontakt für die Medien:

Prof. Dr. Martin Weitz
Institut für Angewandte Physik
Universität Bonn
Tel.: +49-(0)228-73-4837
E-Mail: weitz@uni-bonn.de

Dr. Julian Schmitt
Institut für Angewandte Physik
Universität Bonn
Tel.: +49-(0)228-73-60122
E-Mail: schmitt@iap.uni-bonn.de

Prof. Dr. Johann Kroha
Physikalisches Insitut
Universität Bonn
Tel.: +49-(0)228-73-2798
E-Mail: kroha@physik.uni-bonn.de

Der mit Farbstofflösung (gelb) gefüllte optische Mikroresonator.
Der mit Farbstofflösung (gelb) gefüllte optische Mikroresonator. - Rechts ist ein Mikroskopobjektiv zu sehen, das zur Beobachtung und Analyse des aus dem Resonator austretenden Lichts genutzt wird. © © Gregor Hübl/Uni Bonn
Prof. Dr. Martin Weitz
Prof. Dr. Martin Weitz - mit dem optischen Aufbau am Messtisch am Institut für Angewandte Physik der Universität Bonn. © © Gregor Hübl/Uni Bonn
Links Dr. Frank Vewinger und rechts Göran Hellmann
Links Dr. Frank Vewinger und rechts Göran Hellmann - mit dem optischen Aufbau auf dem Messtisch am Institut für Angewandte Physik der Universität Bonn. © © Gregor Hübl/Uni Bonn
Dr. Julian Schmitt
Dr. Julian Schmitt - mit dem optischen Aufbau auf dem Messtisch am Institut für Angewandte Physik der Universität Bonn. Im schwarzen Kasten hinten links befindet sich der Pumplaser, dessen Licht in den Mikroresonator eingekoppelt wird. © © Gregor Hübl/Uni Bonn
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