22. September 2025

Acht von acht Acht von Acht Exzellenzclustern für die Uni Bonn

Universität Bonn holt acht Exzellenzcluster

Die Universität Bonn hat im Wettbewerb um die Exzellenzcluster erneut Geschichte geschrieben. Schon 2019 setzte sie mit sechs bewilligten Clustern eine Bestmarke. Am 27. Mai gelang ihr ein noch größerer Erfolg: Die Exzellenzkommission gab grünes Licht für alle acht Anträge in der Endrunde – so viele wie keine andere Universität im Wettbewerb. Die Spannbreite der Forschung reicht dabei von A wie Astrophysik bis W wie Wirtschaftswissenschaften

Die Alte Sternwarte. Im neuen Cluster geht es um Daten aus dem Weltall.
Die Alte Sternwarte. Im neuen Cluster geht es um Daten aus dem Weltall. © Volker Lannert
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Inhaltsverzeichnis

Universelle Datenflut: Big Data im Weltall

„Es war überwältigend, eine Explosion der Freude“, erinnert sich Prof. Cristiano Porciani an den Moment als klar war: Aus der Clusterinitiative „Our Dynamic Universe“ wird ein Exzellenzcluster. „Jetzt können wir endlich das umsetzen, was wir versprochen haben“, freut sich der Bonner Clustersprecher. Und das gemeinsame Vorhaben der Universität Bonn und der Sprecherhochschule Universität zu Köln hat es in sich.

Grob gesagt gehe es den Forschenden darum, die Wissenslücken in der Entstehung des Universums zu schließen. Unzählige Phänomene steuern die Struktur und Entwicklung unseres Universums, und laufen dabei auf sehr verschiedenen Zeitskalen von Sekundenbruchteilen bis zu Milliarden von Jahren ab. „In den vergangenen Jahrzehnten haben Astrophysiker*innen große Fortschritte dabei gemacht, die Abläufe im Universum zu entschlüsseln“, sagt Cristiano Porciani. „Doch es gibt immer noch viele offene Fragen.“ Und das sowohl bezogen auf die langfristige Entwicklung des Universums als auch auf extrem kurze Ereignisse, zum Beispiel die Explosionen von Supernovae.
Um diese Wissenslücken zu schließen, reicht die bestehende Technologie nicht aus. „Zurzeit wird in Australien und Südafrika das Square Kilometre Array Observatory gebaut“, erzählt Cristiano Porciani. Das SKA, so die Abkürzung, kombiniert die Signale von tausenden kleinen Antennen, die über mehrere tausend Kilometer verteilt aufgebaut sind. „Das SKA arbeitet im Prinzip wie ein riesiges Radioteleskop mit extrem hoher Empfindlichkeit und Winkelauflösung.“ Das SKA ermöglicht auf diese Weise eine schnellere und großflächigere Himmelsdurchmusterung als bisherige Teleskope. Die Herausforderung dabei: „Das SKA wird Daten mit einer Rate erzeugen, die mit dem weltweiten Internetverkehr pro Tag vergleichbar ist.“ Diese Datenmengen zu speichern und mit vorhandenen Technologien auszuwerten wäre kostentechnisch nicht bezahlbar.

Ein gewagter Ansatz

Es werden neue Methoden gebraucht, um diese Datenmassen auszuwerten. Diese zu entwickeln, ist eines der Cluster-Ziele. „Ein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz, um die großen Datenmengen effizient auszuwerten“, erzählt Cristiano Porciani. Mithilfe neuer KI-Programme, entwickelt von den interdisziplinär arbeitenden Forschenden der Astrophysik, der Mathematik und der Informatik des Clusters, wollen die Forschenden die Big Data des Universums „on the fly“ auswerten. Statt alle Daten zu speichern und zu analysieren, soll die KI aus dem Wust an Informationen nur die relevanten Daten rausziehen und für die Forschung zur Verfügung stellen. Das „Begleitrauschen“ wird direkt gelöscht. „Das ist ein gewagter Ansatz“, gibt Porciani zu. „Denn sobald wir die Daten verarbeitet haben, sind sie weg. Eine Überprüfung ist danach nicht mehr möglich.“ Um solche zuverlässigen Tools zu entwickeln, bedienen sich die Cluster-Mitglieder der Astroinformatik: In diesem neuen Wissenschaftsfeld werden fortgeschrittene statistische Methoden der Informatik, vor allem Machine Learning und Künstliche Intelligenz, genutzt.

Für sein Vorhaben kann sich der Cluster auf geballte Kompetenz stützen: Neben den Universitäten zu Köln und Bonn steuern in der Region Bonn-Köln das Max-Planck-Institut für Radioastronomie, das Forschungszentrum Jülich sowie das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) Know-how und Infrastruktur bei, das vom Bau hochmoderner Detektoren und Instrumente für internationale Teleskope, der Leitung groß angelegter Beobachtungsprogramme, dem Betrieb eines Weltklasse-Labors für Astrophysik und der Simulation der dynamischen Entwicklung von Planeten, Sternen und Galaxien auf Hochleistungscomputern reicht. „Gemeinsam bilden wir in unserer Region ein international anerkanntes Kompetenzzentrum, insbesondere für Radioastronomie. Mit dem Cluster wollen wir diese Spitzenposition weiter ausbauen“, betont Porciani. Komplettiert wird der Cluster durch das Heidelberger Institut für Theoretische Studien.

„Mein Traum ist es, zu verstehen, wie die im primordialen Universum entstandenen Inhomogenitäten die Strukturen hervorgebracht haben, die wir heute beobachten“, sagt Porciani. „Außerdem wäre es großartig, Computersimulationen zu erstellen, die die Dynamik des Universums auf allen Skalen erfassen – von den kleinsten kosmischen Gebilden bis zum großen Ganzen.“


Mit dem Cluster könnte dieser Traum Realität werden.


The members of Color meets Flavor observe the strong interaction on the University of Bonn’s ELSA particle accelerator. The image is taken from the 360-degree tour of the cluster and thus appears somewhat distorted.
Am Teilchenbeschleuniger ELSA der Uni Bonn erforschen die „Color meets Flavor“-Mitglieder die starke Wechselwirkung. Das Bild stammt aus der 360 Grad-Tour des Clusters und zeigt den Aufbau daher verzerrt. © Volker Lanenrt

Farbe und Geschmack der Physik

Farbe trifft Geschmack: Wer jetzt an farbenfrohe Süßigkeiten denkt, ist sicherlich nicht allein. Auf jeden Fall ist man nicht in der Physik zuhause. Denn Physiker*innen wissen: „Color“ und „Flavor“ stehen für zwei grundlegende Kräfte der Natur: die starke Wechselwirkung („Color“) und die schwache Wechselwirkung („Flavor“). Diese Kräfte stehen im Fokus des Exzellenzclusters „Color meets Flavor“, um damit die ganz großen Fragen zu beantworten: Warum gibt es im Universum nur Materie? Wie entsteht Materie durch die starke Wechselwirkung? Und was verbirgt sich hinter der dunklen Materie, die den Großteil der Materie im Universum ausmachen soll? „Wir haben ein großartiges Team mit weltweit führendem Fachwissen auf experimentellem und theoretischem Gebiet. Damit werden wir in enger Zusammenarbeit zwischen Theorie und Experiment wichtige Beiträge zur Klärung dieser Fragen liefern können“, ist sich Cluster-Sprecher Prof. Dr. Jochen Dingfelder sicher.

Zusammen mit ihren Kooperationspartnern wollen die Bonner Teilchenphysiker*innen das Zusammenspiel der starken und schwachen Wechselwirkung untersuchen, um neue physikalische Phänomene zu entdecken. Im Fokus der Forschenden stehen dabei die Quarks – die fundamentalen Bausteine der Materie. Die starke Wechselwirkung hält sie zusammen und bildet daraus Hadronen wie Protonen und Neutronen, also den Stoff, aus dem Atomkerne bestehen. Die schwache Wechselwirkung wiederum ist dafür verantwortlich, dass Teilchen ihre Art („Flavor“) verändern können – etwa, wenn ein Neutron in ein Proton, ein Elektron und ein Antineutrino zerfällt. Solche Prozesse geben wichtige Hinweise auf die Eigenschaften von Teilchen – und möglicherweise auf neue, bislang unentdeckte Teilchen. Im Exzellenzcluster werden auch die Eigenschaften des Higgs-Bosons untersucht und nach dem Axion gesucht, einem hypothetischen Teilchen, das für die starke Wechselwirkung eine besondere Rolle spielt und auch ein Kandidat für die dunkle Materie sein könnte.

„Um diese Prozesse präzise zu verstehen, reicht es nicht, nur die schwache Wechselwirkung zu betrachten – wir müssen auch die starke Wechselwirkung genau kennen“, erklärt Dingfelder. „Nur durch das Verständnis des Zusammenspiels beider Kräfte erreichen wir die hohe Präzision, die nötig ist, um grundlegende Fortschritte in unserem Verständnis der Natur zu machen und etwas Neues zu entdecken.“

Mein Traumergebnis wäre es, ein neues Phänomen der Teilchenphysik zu entdecken.


Von niedriger Energie bis höchster Energie

Für die Suche nach neuen Phänomenen auf der kleinsten Längenskala benötigen die Physiker*innen Instrumente am anderen Ende der Größenskala. Um den gesamten Energiebereich für die Untersuchungen abzudecken, ist der Exzellenzcluster an mehreren Großexperimenten weltweit beteiligt. Da ist zum einen das Belle II-Experiment am japanischen Forschungszentrum für Teilchenphysik (KEK). Zum anderen bringen die „Color meets Flavor“-Mitglieder ihre Expertise in die Experimente ATLAS, AMBER und LHCb am CERN in Genf ein.

Die Projektpartner – neben der Uni Bonn sind die Technische Universität Dortmund, die Universität Siegen sowie das Forschungszentrum Jülich beteiligt – stellen einen Teil der Experimente aber auch selbst zur Verfügung. „An der Universität Bonn verfügen wir über eine starke Infrastruktur“, sagt Dingfelder. Da ist zum einen der Teilchenbeschleuniger ELSA, der für Experimente bei kleineren Energien zum Einsatz kommt. „An ELSA werden wir zum Beispiel das neue Experiment INSIGHT aufbauen, mit dem wir die starke Wechselwirkung und die Bindungszustände von Quarks noch genauer untersuchen können.“ Gebaut wird der für INSIGHT benötigte Detektor unter anderem am Forschungs- und Technologiezentrum Detektorphysik (FTD) der Uni Bonn. Das FTD stellt Infrastruktur und Messlabore auf internationalem Spitzenniveau zur Verfügung, um Detektoren zu entwickeln, die den stetig wachsenden Leistungsansprüchen der Spitzenforschenden weltweit gerecht werden.

„Mein Traumergebnis wäre es, ein neues Phänomen der Teilchenphysik zu entdecken – aber auch uns schon bekannte Prozesse sehr präzise zu vermessen, um besser zu verstehen, wie die Natur funktioniert, ist äußerst spannend“, fasst Dingfelder zusammen.

Diese Cluster werden weitergefördert

Zwischen frei und unfrei

Bonn Center for Dependency and Slavery Studies (BCDSS)

In Ostafrika gefangen genommen, über illegale Sklavenhandelsrouten nach Mauritius verschleppt, und der Zwangsarbeit oder -wehrpflicht unterzogen: Das ist die Geschichte hinter den 58 Gesichtern der Büsten, die in den 1840er Jahren vom Ethnografen Eugène de Froberville auf Mauritius zusammengetragen wurden. 

The BCDSS’s exhibition “Faces of Ancestors” in the Château Royal de Blois, France, 2024.
Die Ausstellung "Faces of Ancestors" des BCDSS im Château Royal de Blois in Frankreich 2024. © N. Wietrich; Courtesy of Blois Royal Castle

In einem Forschungsprojekt hat Klara Boyer-Rossol die Original-Gipsbüsten den Manuskripten Eugène de Frobervilles gegenübergestellt und so fast die gesamte Sammlung identifiziert, die Namen und Lebenswege der afrikanischen Ex-Gefangenen nachvollzogen und sie durch Ausstellungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Damit hat sie die Zusammenhänge zwischen Sklaverei, kolonialen Abhängigkeiten und musealen Sammlungspraxen untersucht. Dies ist nur ein Beispiel der Forschungsarbeiten des Bonn Center for Dependency and Slavery Studies, das seit 2019 neue Perspektiven auf die Sklaverei- und Abhängigkeitsforschung wirft. Forschende aus 43 Disziplinen arbeiten transdisziplinär mit 24 internationalen Partnerinstitutionen daran, tiefgreifende soziale Abhängigkeiten aus verschiedenen Zeiten und Weltregionen historisch zu untersuchen und alle Schattierungen zwischen „frei“ und „unfrei“ zu berücksichtigten.

In der kommenden Förderperiode untersuchen die Mitglieder Ursachen und Mechanismen, die zum Fortbestehen starker Asymmetrischer Abhängigkeiten in historischen und zeitgenössischen Kontexten beitragen. Warum bestehen Sklaverei, Zwangsarbeit, häusliche Knechtschaft und sexuelle Ausbeutung weiter fort – trotz kontinuierlicher Bemühungen sie zu überwinden? Mit seiner Forschung leistet das BCDSS einen wichtigen Beitrag zu der Frage, wie Menschen zukünftig gerechter zusammenleben können. Sein Ziel ist es, historisch informierte Abhängigkeitsstudien als interdisziplinäres Forschungsfeld zu etablieren und damit Forschende der Geistes- und Sozialwissenschaften zu motivieren und befähigen, die Analyse starker asymmetrischer Abhängigkeiten systematisch in die Untersuchung sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Phänomene zu integrieren.


Welche politischen Maßnahmen helfen wirklich?

ECONtribute: Märkte & Public Policy

What policy levers actually help?
Welche politischen Maßnahmen helfen wirklich? © Marc Thürbach, ECONtribute

Wie haben europäische Staaten auf die Energiekrise reagiert, die durch die russische Invasion in der Ukraine ausgelöst wurde – und welche Maßnahmen halfen tatsächlich, die Auswirkungen abzumildern? Mit solchen Fragen hat sich der wirtschaftswissenschaftliche Exzellenzcluster „ECONtribute: Märkte & Public Policy“ in seiner ersten Förderperiode beschäftigt. 

So analysierte Mitglied Prof. Dr. Christian Bayer zusammen mit Co-Autoren drei politische Instrumente: nationale Energiesubventionen, eine koordinierte Subvention auf EU-Ebene und gezielte Geldtransfers an Haushalte. Das Ergebnis: Nationale Subventionen können kurzfristig die heimische Wirtschaft stützen, belasten im stark vernetzten Gasmarkt Europas jedoch andere Euro-Länder.  Als effektivere und gerechtere Alternative erweisen sich gezielte Geldtransfers. Diese an Bürger*innen gezahlten Beträge, orientiert am Gasverbrauch, senken die Lebenshaltungskosten, ohne die Preise auf dem Energiemarkt weiter zu verzerren, und vermeiden negative Effekte auf andere EU-Staaten. Im Gegenteil: Durch diese Transfers könnte der Wohlstand im eigenen Land sogar steigen.

Mit Forschungsprojekten wie diesen verfolgt ECONtribute das Ziel, drängende gesellschaftliche und technologische Herausforderungen besser zu verstehen. Forschende der Volks- und Betriebswirtschaftslehre, Psychologie, Ethik, Sozial-, Politik- und Rechtswissenschaften entwickeln innovative Ansätze, um Märkte und Politik zu analysieren. Im Mittelpunkt der Forschung steht der Mensch mit seinen Überzeugungen, Erwartungen und seinem Gerechtigkeitsempfinden — entscheidende Faktoren, um fundierte Handlungsempfehlungen für die Gestaltung von Märkten und Politikmaßnahmen abzuleiten. Im Zentrum der kommenden Förderperiode stehen Fragen wie: Unter welchen Bedingungen finden politische Maßnahmen gesellschaftliche Akzeptanz? Wie kann die Widerstandsfähigkeit von Volkswirtschaften in Krisenzeiten gestärkt werden? Und wie können dabei kurzfristige Maßnahmen mit langfristigen politischen Zielen in Einklang gebracht werden?


Das Immunsystem als Sinnesorgan

ImmunoSensation

Sie betrachten das Immunsystem als Sinnesorgan: Die über 80 Forschungsgruppen des 2012 gegründeten Exzellenzclusters ImmunoSensation aus der Immunologie, Neurowissenschaft, Systembiologie, Bioinformatik, Mathematik und Klinischen Forschung haben maßgeblich zur Identifikation und Charakterisierung wichtiger Sensoren des angeborenen Immunsystems beigetragen, neue Mechanismen der Immunaktivierung entschlüsselt und das Konzept des Immune Sensing international etabliert. Ein Beispiel: Das Team um Prof. Hiroki Kato vom Institut für Kardiovaskuläre Immunologie am UKB hat einen Wirkstoff entdeckt, der das körpereigene Enzym MTr1 hemmt und so die Replikation von Influenza-Viren einschränkt.

The over 80 research groups in the ImmunoSensation Cluster of Excellence, which was set up in 2012, all have one thing in common: they see the immune system as a “sensory organ.” Drawn from the fields of immunology, neuroscience, system biology, bioinformatics, mathematics and clinical research, they have played a big part in identifying and characterizing key innate immune system sensors, decoded new immune activations mechanisms and elevated the concept of immune sensing to international prominence.
Sie betrachten das Immunsystem als Sinnesorgan: Die über 80 Forschungsgruppen des 2012 gegründeten Exzellenzclusters ImmunoSensation aus der Immunologie, Neurowissenschaft, Systembiologie, Bioinformatik, Mathematik und Klinischen Forschung haben maßgeblich zur Identifikation und Charakterisierung wichtiger Sensoren des angeborenen Immunsystems beigetragen, neue Mechanismen der Immunaktivierung entschlüsselt und das Konzept des Immune Sensing international etabliert. © Johann F. Saba / UKB

 In Lungengewebepräparaten und Mausstudien sowie in Kombination mit bereits zugelassenen Grippemitteln zeigte sich dieser wirksam. Für diesen neuen Ansatz erhielt Prof. Hiroki Kato eine Förderung der Open Philanthropy in Höhe von 2,2 Millionen US-Dollar. Das geförderte Projekt zielt darauf ab, weitere MTr1-Inhibitoren mit grippehemmender Wirkung zu identifizieren, die in naher Zukunft für die Durchführung klinischer Studien in Frage kommen.
Das ist nur eines der vielen erfolgreichen Forschungsprojekte, auf denen die Forschenden in der kommenden Förderperiode – dann unter dem Namen ImmunoSensation3 – aufbauen. Ihre wissenschaftliche Herausforderung für die nächsten sieben Jahre ist die systematische Erforschung der Immundiversität: Struktur, Funktion und Dynamik des Immunsystems unterliegen ständigen Veränderungen – beeinflusst durch genetische Faktoren, Umwelteinflüsse, Lebensstil, Geschlecht, Vorerkrankungen und Alter. Diese Einflüsse spiegeln sich auf der molekularen, zellulären und systemischen Ebene des Körpers wider und machen jedes Immunsystem einzigartig. Die daraus resultierende natürliche Vielfalt wird als Immundiversität bezeichnet. Das Ziel von ImmunoSensation3 ist es, die Variabilität des Immunsystems besser zu verstehen, um individualisierte und präzise Ansätze für Diagnostik, Prävention und Therapie zu ermöglichen.


Mathematische Exzellenz mit Wirkung

Hausdorff Center for Mathematics (HCM)

A trio of world-class female mathematicians at the HCM: Angkana Rüland (left), Jessica Fintzen (center) and Lisa Sauermann (right).
Mathematikerinnen der Weltklasse am HCM (v.l.): Angkana Rüland, Jessica Fintzen und Lisa Sauermann. © Montage: Gregor Hübl

So konkret kann Mathematik medizinische Anwendungen verbessern: Mithilfe der Magnetresonanztomographie machen Ärzt*innen krankhafte Veränderungen im Körper sichtbar. Dabei werden oft Kontrastmittel eingesetzt, die oftmals nicht nur teuer, sondern auch umweltbelastend und potenziell gesundheitsschädlich sind. Durch den Einsatz numerischer Methoden und maschinellen Lernens gelang es Alexander Effland vom Hausdorff Center of Mathematics (HCM), die notwendige Kontrastmitteldosierung erheblich zu reduzieren – ohne Einbußen bei der Bildqualität, vielmehr mit einer Verbesserung der diagnostischen Aussagekraft.

 Der Erfolg dieser Methode führte zur Gründung des Start-ups relios.vision, das Alexander Effland gemeinsam mit Kolleg*innen des UKB ins Leben rief. Das Unternehmen wurde bereits mehrfach ausgezeichnet und zeigt, wie mathematische Forschung direkte, gesellschaftlich relevante Innovationen hervorbringen kann. Medizinische Anwendungen sind aber nur ein Bereich, mit dem sich die Mitglieder am HCM beschäftigen: Das Spektrum des bereits 2006 gegründeten Cluster – das erste mathematische Cluster deutschlandweit – reicht von ambitionierter Grundlagenforschung bis hin zu industriellen Anwendungen. Und das äußerst erfolgreich: Es hat sich zu einem international bedeutenden Zentrum für mathematische Forschung und Lehre sowie wissenschaftlichen Austausch entwickelt. 

Jedes Jahr bringt das HCM viele international angesehene Preisträger*innen hervor. In seine vierte Förderperiode startet das HCM mit vielen neuen Kräften, darunter Mathematikerinnen der Weltklasse wie Jessica Fintzen, Angkana Rüland und Lisa Sauermann. Besondere Schwerpunkte der neuen Forschungsagenda sind weitere Fortschritte im Langlands-Programm und, in der angewandten Mathematik, inverse Probleme und kombinatorische Optimierung mit industriellen Anwendungen. Eine neue interdisziplinäre Forschungseinheit hat das Ziel, die Bibliothek des Beweisassistenten Lean durch neue Bereiche wie harmonische Analysis zu erweitern und langfristig die Formalisierung von Mathematik als Standardpraxis zu etablieren.


Der Traum vom Quantencomputer

„Materie und Licht für Quanteninformation“ (ML4Q)

Einer von drei Clustern in der Physik an der Uni Bonn.
Einer von drei Clustern in der Physik an der Uni Bonn. © Simon Wegener

Der Exzellenzcluster ML4Q erforscht die Grundlagen für neuartige Quantencomputer-Hardware und -Software. Die Forschenden aus Festkörperphysik, Quantenoptik und Quanteninformationstheorie untersuchen Technologien, die noch in einem frühen Entwicklungsstadium sind, aber das Potenzial haben, die Quanteninformatik grundlegend zu verändern. Die Bonner Physik hat sich als treibende Kraft in der Erforschung von Bose-Einstein-Kondensaten (BECs) aus Photonen etabliert. Besonders die enge Zusammenarbeit zwischen den experimentellen und theoretischen Gruppen des Clusters – insbesondere in Bonn und Düsseldorf – hat neue Perspektiven für zukünftige Quantennetzwerke eröffnet. 

Photonenkondensate erweisen sich dabei als vielversprechender Ansatz, um fundamentale Fragen der Quantenmaterie zu beantworten. Die Bonner Gruppe um Martin Weitz konnte zeigen, dass sich Photonen durch gezielte Manipulation in einem optischen Resonator in einen kollektiven Quantenzustand versetzen lassen. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wurden im Cluster neue Quantenzustände von Photonen entdeckt und experimentell untersucht. Ein entscheidender Fortschritt war die Kontrolle der Dynamik von Photonen-BECs in einem „Doppeltopf“-Potenzial – ein wichtiger Schritt hin zu komplexen optischen Quantenstrukturen. Erstmals konnten Phasenübergänge in solchen Systemen analysiert und die Kompressibilität eines Photonen-Gases bestimmt werden. Diese Arbeiten erweitern nicht nur das physikalische Verständnis, sondern liefern auch wertvolle Erkenntnisse für die Quanteninformationsverarbeitung.

Durch Forschung wie diese hat sich der Cluster als Keimzelle für ein Quanten-Ökosystem im Rheinland etabliert. In der zweiten Förderperiode, die im Januar 2026 beginnt, werden aus der Keimzelle neue Strukturen entstehen, die Forschung, Ausbildung und gesellschaftliche Teilhabe noch enger verzahnen: ein Quantum Career Center, ein Software Hub und ein Center for Equity, Diversity and Inclusion.


Revolution der Nutzpflanzenproduktion

PhenoRob

PhenoRob hat das Ziel die Nutzpflanzenproduktion zu revolutionieren und nachhaltiger machen. Die Forschenden aus den Bereichen Robotik, Geodäsie, Informatik, Pflanzenphänotypisierung, Bodenkunde, Nutzpflanzenwissenschaften, Ökologie und Agrarökonomie forschen gemeinsam an neuen Wegen, um den landwirtschaftlichen Anbau mithilfe modernster Technologien nachhaltiger zu machen: den ökologischen Fußabdruck der Pflanzenproduktion zu verringern, die Qualität von Boden und Ackerland zu erhalten und die besten Wege zur Einführung neuer Technologien aufzuzeigen.

Felix Esser (left) and Alireza Ahmadi (right) testing out the BonnBot’s powers of weed control.
Felix Esser (links) und Alireza Ahmadi testen den BonnBot zur Unkrautbekämpfung. © Volker Lannert

Meter für Meter bewegt sich der kleine vierrädrige Roboter über das Feld, lokalisiert die dort wachsenden Pflanzen, ordnet sie ein und zählt sie. Identifiziert er Unkräuter, geht er in deren Bekämpfung über – je nach Bedarf chemisch, mechanisch oder mittels eines Laserstrahls. Sein Ziel ist dabei nicht die vollständige Beseitigung aller Unkräuter, sondern nur der Schädlichen. Mit dieser Methode verbessert der „BonnBot“ nicht nur das Mikroklima und schützt vor Bodenerosion, sondern fördert auch die Artenvielfalt von Pflanzen und Insekten – und senkt dabei noch die Betriebskosten der Landwirte. Der Roboter stellt dabei nur eine der Technologien dar, die der Exzellenzcluster PhenoRob in seiner ersten Förderperiode entwickelt hat. Ziel des Clusters ist es, neben der Grundlagenforschung,
seine Erkenntnisse in die Praxis zu übertragen: aus Pheno-Robs „BonnBot“ der ersten Förderphase ist zum Beispiel das Startup DynamoBot hervorgegangen.

In der zweiten Förderphase vertieft PhenoRob, dessen Sprecher Prof. Dr. Cyrill Stachniss und Prof. Dr. Heiner Kuhlmann sind, seinen interdisziplinären Forschungsansatz. Im Fokus steht die Entwicklung neuer, nachhaltiger Anbausysteme, die Ökologie, Ökonomie und gesellschaftliche Aspekte vereinen. Zentrale Themen sind autonome Agrarrobotik, KI-gestützte Pflanzenproduktion, sensorbasierte Phänotypisierung, die Bewertung von Anbausystemen sowie deren
gesellschaftliche und politische Integration. Ziel ist ein ganzheitliches Verständnis zukunftsfähiger Landwirtschaft.

Exzellente Aussichten: Universität Bonn weiter auf Erfolgskurs 

Ab Januar 2026 gibt es in Bonn acht Exzellenzcluster – mehr als an jeder anderen deutschen Universität. Mit diesem Riesenerfolg geht die Exzellenzuniversität Bonn ein weiteres Mal als erfolgreichste Mitbewerberin im bundesweiten Wettbewerb hervor. Das ist auch eine Steilvorlage für die zweite Förderlinie: Über die Zukunft der derzeitigen Exzellenzuniversitäten wird im März 2026 entschieden.

An einem Abend im Mai knallten im Rektoratsgebäude in der Dechenstraße die Sektkorken. Es gab achtfachen Grund zum Feiern: „Dies ist ein historischer Meilenstein für unsere Universität. Es ist absolut herausragend, dass wir unser sensationelles Ergebnis der letzten Runde mit nun acht Clustern noch einmal getoppt haben“, sagte Rektor Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Hoch. Gelöste Stimmung herrschte im Atrium, in dem sich rund 200 Forschende aus den acht angetretenen Clustern, Gremienmitglieder und Mitarbeitende versammelt hatten. Sie feierten einen Erfolg der Superlative, der kaum zu fassen ist: Nicht nur waren es schon wieder mehr Cluster als je zuvor – es sind auch so viele wie beide Münchener Universitäten zusammen haben.

Die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät liegt mit sechs Clusterbeteiligungen auf Augenhöhe mit der Universität Tübingen und noch vor der Universität zu Köln, die „nur“ fünf Cluster zählt. Allein der Bonner Fachbereich Physik hat drei Exzellenzcluster – so viele wie die RWTH Aachen. Das Rheinland bildet auf der Exzellenzlandkarte einen deutschlandweit führenden Wissenschaftsschwerpunkt.

Mit diesem herausragenden Ergebnis festigt die Universität Bonn ihre Position als führende Forschungsuniversität in Deutschland und unter den forschungsstärksten Universitäten Europas und der Welt. Rektor Prof. Hoch sagt: „Unsere nun acht Exzellenzcluster sind bereits heute weltweit sichtbare Zentren der Spitzenforschung und belegen unsere wissenschaftliche Leistungsfähigkeit in der ganzen Breite. Sie geben uns auch enormen Rückenwind für unsere Zukunftsstrategie als global vernetzte Exzellenzuniversität.“

Die Entscheidung über die Exzellenzcluster traf die Exzellenzkommission aus internationalen Forschenden und den Wissenschaftsminister* innen des Bundes und der Länder im Mai 2025 in Bonn.Inzwischen laufen die „Begehungen“ der bestehenden Exzellenzuniversitäten, die im Sommer 2025 Selbstberichte über die vergangenen sieben Förderjahre und die Pläne für eine kommende Förderperiode abgegeben haben. Neben den zehn bestehenden Exzellenzuniversitäten und -verbünden bewerben sich 15 weitere Universitäten und Verbünde um die insgesamt 15 möglichen Förderplätze. Die Begutachtungen der Neuanträge finden im Frühjahr und Sommer 2026 statt. Die Entscheidung über Neuaufnahmen in den Kreis der Exzellenzuniversitäten und -verbünde fällt die Exzellenzkommission Anfang Oktober 2026. 

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