31. März 2020

300 Genvarianten wirken auf die Großhirnrinde 300 Genvarianten wirken auf die Großhirnrinde

Großangelegte Studie verarbeitet Daten zur Hirnstruktur von über 50.000 Personen

Ein internationaler Forschungsverbund unter Beteiligung der Universität Bonn hat genetische Varianten aufgespürt, die sich auf die Struktur der menschlichen Großhirnrinde auswirken – und damit auf geistige Fähigkeiten sowie auf Krankheiten wie Schizophrenie, Depression und Autismus. Die Studie schließt Daten von mehr als 50.000 Menschen ein, von denen Aufnahmen des Gehirns gefertigt und genetische Daten erhoben wurden. Das Konsortium hat seine Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Forschungsmagazins „Science“ veröffentlicht.

Prof. Dr. Markus Nöthen
Prof. Dr. Markus Nöthen - vom Institut für Humangenetik am Universitätsklinikum Bonn. © Foto: Andreas Stein/Uni Bonn
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Die Großhirnrinde ist die äußerste, stark gefaltete Schicht des Großhirns; sie besteht vor allem aus den Zellkörpern der Nervenzellen. „Die Großhirnrinde – oft auch als ‚graue Substanz‘ bezeichnet – spielt eine entscheidende Rolle beim Denken, bei der Informationsverarbeitung, für das Gedächtnis und die Aufmerksamkeit“, schreibt das QIMR Berghofer Medical Research Institute in seiner Pressemitteilung zu der Publikation in „Science“; die australische Forschungseinrichtung hatte die Federführung bei der zugrundeliegenden Verbundforschung.

Das Konsortium führte die Beiträge von mehr als 360 Fachleuten aus 184 verschiedenen Institutionen zusammen, um die erste genetische Karte der Großhirnrinde zu erstellen. Die Beteiligten identifizierten mehr als 300 genetische Varianten, die die Struktur der Großhirnrinde beeinflussen.

Viele der Ergebnisse stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit Krankheitsbildern: Zum Beispiel tragen genetische Varianten, die mit einer kleineren Oberfläche der Großhirnrinde - oder einer geringeren Faltung - verbunden sind, auch zu einem größeren Risiko für ADHS, Depressionen und Schlaflosigkeit bei.

„Bei den Ergebnissen des Forschungsverbundes handelt es sich um einen Meilenstein“, sagt Prof. Dr. Markus Nöthen, Direktor des Instituts für Humangenetik des Universitätsklinikums Bonn. „Wir gehen davon aus, dass eine Vielzahl von unterschiedlichen Genen zusammen mit Umwelteinflüssen zum Erkrankungsrisiko für psychische Störungen beitragen. Was diese Gene genau im Gehirn bewirken, versteht man jetzt deutlich besser.“

Neben Marburger Wissenschaftlern beteiligten sich unter anderem Arbeitsgruppen der Universitäten Greifswald und Bonn sowie zahlreicher weiterer Einrichtungen aus der Bundesrepublik, Europa und Übersee an der Studie. Die Beteiligten sind Mitglieder des ENIGMA-Konsortiums, in dem mehr als 900 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt die genetischen Einflüsse auf das Gehirn und die Rolle der Gehirnstruktur und -funktion bei Krankheiten untersuchen. Das Bundesforschungsministerium, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und viele weitere internationaler Förderer unterstützten die Forschungsarbeit finanziell.

Publikation: Katrina L. Grasby, Neda Jahanshad & al.: The genetic architecture of the human cerebral cortex, Science, https://science.sciencemag.org/content/367/6484/eaay6690

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