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Arche Noah am Annaberg Wolfgang Böhme hat die Artenvielfalt seines Naturgartens dokumentiert

Das Wasser in dem kleinen Gartenteich gluckst und schlägt leichte Wellen, als Wolfgang Böhme den Kescher hineintaucht. Mit ein paar gekonnten Handgriffen holt er das Fangnetz wieder herauf und greift hinein, um darin nach Amphibien zu suchen.

Dem Professor ist die Routine anzumerken. Der 77-Jährige arbeitete am Zoologischen Forschungsmuseum Koenig in Bonn, zuletzt viele Jahre als stellvertretender Direktor. In den USA, Asien und Afrika erforschte der Spezialist für Amphibien und Reptilien neue Arten. Tag für Tag geht der Professor noch in sein Büro im Museum und beschäftigt sich nun mit Aufgaben, die während seiner akademischen Laufbahn liegengeblieben sind.

Kürzlich publizierte er ein Thema, dass er über 36 Jahre hinweg mit Leidenschaft verfolgt hat: Eine wissenschaftliche Monographie über seinen Garten am Annaberg in Friesdorf.

Hirschkäfer und Natter

Hirschkäfer tummeln sich genauso auf seinem Grundstück wie eine Barren-Ringelnatter. Letztere galt lange Zeit als eine Subspezies, bis Wolfgang Böhme zusammen mit anderen Forschenden den Beweis erbrachte, dass es sich dabei um eine eigene Schlangen-Art handelt. Eine Schlange im eigenen Garten? „Gefährlich ist das nicht“, lacht der Wissenschaftler. Ringelnattern haben keine Giftdrüsen

Sein wissenschaftliches Gartenprojekt erledigte Böhme quasi nebenbei. Wenn er Büsche zurückschnitt, achtete er gleichzeitig auf die Tierwelt. Entfernte er Algen aus den kleinen Tümpeln, fischte er auch die Amphibienlarven heraus.

Beim Frühstück auf der Terrasse erfasste er mit einem Ohr anhand der Gesänge, welche Vögel gerade unterwegs waren. „Ich habe genau dokumentiert, wann ich den letzten Kuckuck auf meinem Grundstück gehört habe. Das war im Juni 1991.“ Die Vogelart sei in Bonn inzwischen nahezu ausgestorben.

1874 kam die Reblaus

1986 hat der Professor das Haus mit Grundstück am Annaberg erworben. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, berichtet er. Das kleine Häuschen kuschelt sich über mehrere Etagen an den Steilhang. Über die Terrassentür und eine kleine Holzbrücke betritt man den Garten, der sich steil nach oben bis über die Kuppe hinüberzieht. „Bis 1874 handelte es sich dabei um einen Weinberg“, berichtet Böhme. „Dann bereitete die aus Nordamerika eingewanderte Reblaus dem Weinanbau ein Ende.“ Die Natur hielt seitdem weitgehend ungestört Einzug. Die Weinberg- Terrassen sind immer noch unter dem Pflanzenkleid zu erahnen.

„Arten des Offenlandes wie etwa Türkentaube, Grünfink und Hausspatz verschwanden, Schwarzspecht, Hohltaube und Schwarzstorch als Waldspezies kamen hinzu“, berichtet er. Außerdem macht sich die Klimaerwärmung bemerkbar.

„Aus südlichen Gefilden ist etwa auch eine wärmeliebende Goldwespen-Art eingewandert, die ich erstmalig in Nordrhein- Westfalen bei ihrem Vordringen nach Norden registriert habe.“

Fast täglich durchstreift Böhme den steilen Hanggarten, um nach dem Rechten zu sehen und Ausschau zu halten.

„Ich habe immer ein Glasröhrchen in der Hosentasche“, sagt Böhme.

Entdeckt er ein neues Insekt, landet es für die spätere Bestimmung in dem Röhrchen. Für den Zoologen ist sein Garten angesichts des galoppierenden Artenschwundes wie ein kleine Arche Noah am Annaberg. Böhme hat die Monographie nun fertiggestellt, um die Artenvielfalt zu dokumentieren. „Außerdem möchte ich auch andere anregen, sich in ihren Gärten für die dort vorkommenden Spezies zu interessieren und sich für eine naturnahe Gestaltung einzusetzen.“

Publikation:

Wolfgang Böhme: Artenvielfalt am Stadtrand: Die erstaunliche Biodiversität eines naturnahen Bonner Gartens. Mit botanischen Beiträgen von Dorothee Killmann, Eberhard Fischer und Volker Voggenreiter (+), Decheniana, Beihefte des Naturhistorischen Vereins der Rheinlande und Westfalens e.V., 43A/2022, 105 S., 19 Euro, erhältlich unter E-Mail: geschaeftsstelle@naturhistorischerverein.de

Text: Johannes Seiler

Fotos: Volker Lannert / Universität Bonn

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Johannes Seiler
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Credits:

Volker Lannert / Universität Bonn