08. November 2007

Der Computer als Waffe gegen gefährliche Epidemien Der Computer als Waffe gegen gefährliche Epidemien

Die Universität Bonn auf der MEDICA

Wenn die nächste Grippewelle über Europa schwappt, können die Epidemiologen über die Ländergrenzen hinweg nachvollziehen, welche Wege der Erreger nimmt " und wie sich beispielsweise national unterschiedliche Impfstrategien auf seine Ausbreitung auswirken. Wissenschaftler der Universität Bonn entwickeln medizinische Geoinformationssysteme, die derartige Analysen möglich machen. Sie stellen ihr Projekt auf der vom 14. bis 17. November auf der Medizin-Messe MEDICA in Düsseldorf vor (Gemeinschaftsstand der Wissenschaftsregion Bonn, Halle 16/Stand C41). Ebenfalls dort zu sehen: Beschichtungsmaterialien, mit denen sich hygienischere Harnkatheter herstellen lassen " und ein Analyseverfahren für Umweltchemikalien und neuartige Dopingmittel.

Wer wissen will, wie man eine Seuche am wirksamsten bekämpft, wirft am besten einen Blick auf ihre Verbreitungswege. "Bei der Untersuchung einer Salmonellenepidemie in einem Krankenhaus haben wir so nicht nur herausbekommen, wo die Erreger ursprünglich herkamen", erklärt Dr. Thomas Kistemann, Geograph und leitender Oberarzt am Hygieneinstitut der Universität Bonn. "Wir konnten auch nachweisen, wie sich die Salmonellen verbreiteten. Besonders betroffen waren nämlich Stationen, in denen die Container mit den Mittagessen erst eine Weile auf den Fluren standen, bevor die Tabletts verteilt wurden."



Mit Softwarehilfe lassen sich oft Zusammenhänge aufdecken, die auf den ersten Blick unsichtbar sind. Der Computer wird so zur wirksamen Waffe gegen Epidemien. Kistemann und seine interdisziplinäre Arbeitsgruppe sind Experten für so genannte Geoinformationssysteme (GIS), die räumliche Daten mit medizinischen und sozioökonomischen Informationen korrelieren. "Wir haben mit einer solchen Software beispielsweise die Verbreitung der Tuberkulose in Köln auf Stadtbezirksebene untersucht", erläutert der Privatdozent. Bislang vermuteten Epidemiologen, dass der gefährliche Erreger vor allem mit Spätaussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion wieder nach Deutschland gelangte. "Unsere Ergebnisse stützen das nicht", betont Kistemann. "Demnach ist Tuberkulose vor allem in Bezirken mit einem hohen türkischen Bevölkerungsanteil ein Problem." Vermutlich könne die Krankheit dort auch deshalb so gut Fuß fassen, weil die Politik die Integration türkischer Zuwanderer bisweilen vernachlässigt habe: Wer Sprachprobleme hat oder sich aus anderen Gründen ausgegrenzt fühlt, sucht bei Krankheiten nicht so schnell ärztliche Hilfe auf.



Bonner Wissenschaftler werden auf der MEDICA zwei weitere Themen vorstellen: Das Team um Privatdozent Dr. Norbert Laube von der Experimentellen Urologie präsentiert zusammen mit Partnern vom Institut für Dünnschichttechnologie der TU Kaiserslautern seine neuesten Ergebnisse zum Thema "Diamantähnliche Kohlenstoffschichten auf urologischen Implantaten zur Verbesserung der Biokompatibilität". Nach einer langjährigen Entwicklungsphase wurde bereits eine Schicht mit großem Erfolg in den Markt eingeführt. "Natürlich geht die Forschung weiter, denn die Kohlenstoffschichten können in ihrer Zusammensetzung verändert werden. Wir erwarten daher noch einige Verbesserungen", betont Norbert Laube. Die Arbeiten von Doktorandin Isabella Syring zur Erforschung der Wirkmechanismen der Oberflächen helfen bei der Suche nach Optimierungsmöglichkeiten. Sie wurden in diesem Jahr sogar von der Deutschen Gesellschaft für Urologie ausgezeichnet.



Glühwürmchen als Doping-Spürhund



Hoch aktuell ist auch das Projekt von Dr. Sabine Daufeldt und Dr. Axel Alléra: Ihr so genannter "SteroCheck" soll Dopingsünder das Fürchten lehren. Mit der patentierten Methode lassen sich beispielsweise neu entwickelte Anabolika schnell und kostengünstig nachweisen. Als "Drogen-Hund" dient ihnen dazu das Glühwürmchen: Der nachtaktive Käfer produziert nämlich ein Enzym, das seinen Hinterleib zum Scheinwerfer macht " die Luziferase. Die Bonner Forscher haben das Luziferase-Gen in menschliche Prostata-Zellinien eingeschleust. Wenn die Zellen nun mit Substanzen in Kontakt kommen, die wie ein männliches Geschlechtshormon wirken, leuchten sie gelbgrün auf. "Das kann das natürliche Androgen Testosteron sein, aber auch ein neuartiges Dopingmittel oder bestimmte Umweltchemikalien und Pestizide", erklärt Dr. Alléra.



So kann SteroCheck beispielsweise auch Weichmacher aus Kunststoffen nachweisen. Diese so genannten "Phthalate" wirken wie Hormone, obwohl sie chemisch eine ganz andere Struktur aufweisen. Sie stehen in Verdacht, für den seit Jahrzehnten beobachteten Rückgang der Spermienzahlen bei Männern verantwortlich zu sein. Außerdem sollen Phtalate Hodenkrebs auslösen können. Über eine neu gegründete Firma werden die Wissenschaftler den SteroCheck nun vermarkten.





Kontakt:

Privatdozent Dr. Thomas Kistemann

Institut für Hygiene und Öffentliche

Gesundheit, Universitätsklinikum Bonn

Telefon: 0228/287-15534

E-Mail: Thomas.Kistemann@ukb.uni-bonn.de



Privatdozent Dr. Norbert Laube

Klinik und Poliklinik für Urologie der Universität Bonn

Tel.: 0228/287-19106

E-Mail: norbert.laube@ukb.uni-bonn.de



Dr. Sabine Daufeldt und Dr. Axel Alléra

Telefon: 0170/4108-655

E-Mail: s.daufeldt@uni-bonn.de und allera@uni-bonn.de






Wird geladen